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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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zu lange beide Augen zugedrückt habe. Ich habe dir immer volle Freiheit gelassen, in der Hoffnung, dass der Samen deines Talents irgendwann aufgeht und dass aus dir endlich ein verantwortungsvoller Journalist wird. Aber das war ein bedauerlicher Irrtum. Man muss dich mit der Knute zur Arbeit zwingen und schuften lassen wie einen Bergarbeiter.« Bei diesen Worten stülpt er sich den Schutzhelm über, mit dem Schirm nach hinten, so dass er aussieht wie eine groteske Art von Rapper.
    » Wie einen Bergarbeiter, ja. Was deine Ambitionen angeht…«
    Mir wird schlagartig klar, dass der weitere Verlauf meiner Karriere allein davon abhängt, wie klug ich mich jetzt aus der Affäre ziehe. Mein Lebensweg steht und fällt mit dem Ausgang dieses Rededuells.
    » Deine Ambitionen als Rapper– nun, die kannst du dir wohl vorerst abschminken. Werd erst einmal ein guter Journalist«, beendet Alexej.
    Ich gerate ins Grübeln, woher er das mit der Band weiß, ich hab niemandem davon erzählt. Außerdem, was meint er damit: Ich soll ein guter Journalist werden, ich bin doch schon der beste. Aber eins ist mir klar: Ich muss mir schleunigst etwas einfallen lassen, und zwar etwas richtig Gutes. Ich fange an zu improvisieren.
    » Alexej… verstehen Sie… Ich wollte es eigentlich nicht erwähnen, ich habe es bisher überhaupt noch niemandem erzählt. Erinnern Sie sich, Sie haben doch mal zu mir gesagt, ein guter Journalist müsse vor allem ein guter Manager sein, einer, der seine Arbeitszeit strukturieren kann.«
    » Ich erinnere mich. Und was ist damit? Du kannst es bis heute nicht.«
    » Na ja, es ist nämlich so: Ich bin im September von der Universität Cambridge angenommen worden, an der Fakultät für Medienmanagement. Und jetzt muss ich einmal im Monat nach England zu den Seminaren, und demnächst stehen schon die ersten Prüfungen an. Ich will meinen MBA machen. Die Studiengebühren sind ziemlich happig… Ich bin es nicht gewöhnt, mir Geld zu leihen, und mein Stolz verbietet mir, mich an meinen Vater zu wenden. Jedenfalls, seit kurzem arbeite ich für drei verschiedene Firmen als Freelancer. Werbetexter, PR , das ganze Programm…«
    » Und was ist das für eine Fakultät?«
    » Ganz neu eingerichtet. Ein guter Freund hat mir davon erzählt, in London, seine Freundin studiert nämlich dort.«
    » Und wie willst du das alles unter einen Hut bringen?«
    » Egal, ich muss! Was soll ich machen, Alexej, mir bleibt doch gar keine Wahl. Der Journalismus, das ist mein Ding. Ich will ein echter Profi werden. Wenn ich mich jetzt nicht qualifiziere, dann nie. Ich muss mir halt ein bisschen den Arsch aufreißen. Verzeihen Sie den groben Ausdruck! Also kurz, Sie können mich natürlich entlassen, niemand würde Ihnen deswegen einen Vorwurf machen. Es tut mir nur leid, dass ich es Ihnen nicht schon eher erzählt habe.«
    Das Mienenspiel in Alexejs Gesicht ist wirklich sehenswert. Wie in der Sonne zerlaufendes Speiseeis. Meine Worte haben offenbar Balsam in seine wunde Seele gegossen. Ich bin von der Wirkung selber ganz überrascht.
    » Hör mal, Andrej«, sagt er, steht auf und legt mir väterlich den Arm um die Schultern. » Warum hast du denn nichts gesagt? Das ändert doch alles.«
    » Es war mir einfach unangenehm«, murmele ich und erröte gekonnt.
    » Weißt du, als ich noch an der journalistischen Fakultät studiert habe, da musste ich auch nebenher jobben. Und bei den Semesterprüfungen bin ich dann fast durchgerasselt. Aber was hilft’s? Man muss ja leben. Irgendwie hab ich’s dann doch geschafft. Ich hab mich eben angestrengt!«
    » Ich strenge mich auch an, und wie. Nur, tja…«
    » Und eine Band hatten wir auch, weißt du? Wir haben ziemlich wüsten Punk-Rock gemacht, o Mann! So in der Art von The Clash. Und wir waren gut, wirklich.«
    » Ach, das ist ja interessant! Ich will nämlich Punk-Rock mit Rap kreuzen, wie finden Sie das?«
    » Ich glaube, das könnte ziemlich heiß werden. Zu meiner Zeit… Nun, also gut, Andrej, wie gesagt, das ändert natürlich alles. Ich muss zugeben, dass ich allmählich anfing, an dir zu zweifeln. Ich gebe dir Zeit bis Freitag. Aber dann musst du fertig sein, sei so gut.«
    » Spätestens heute Abend ist alles fix und fertig.«
    » Keine übertriebene Hektik. Lass dir Zeit. Freitag reicht. Und jetzt los, frisch ans Werk!«
    Ich ziehe die Tür hinter mir zu und recke die Faust in die Höhe! Immerhin: Er hat mich Bruder genannt! Aber jetzt wird es wirklich Zeit, mich an die Arbeit zu machen. In

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