Neonträume: Roman (German Edition)
wie: » Er ist eine gute Zwischenlösung«, » Ich bin intensiv am Suchen«, » Völlig inakzeptable Preise« und » Dafür muss er jetzt anständig zahlen«. Dann und wann wechseln die Angehörigen der beiden genannten Gruppen Blicke. Die der Frauen, schnell und präzise wie Froschzungen, haben schnell das durchschnittliche Jahresgehalt der Manager taxiert. Die der Manager schweifen etwas länger, bis sie anhand der zahlreichen Einkaufstüten das durchschnittliche Jahresbudget des dazugehörigen Modepüppchens errechnet haben. Den Hintergrund für dieses unterhaltsame Schauspiel bildet der altehrwürdige Kreml, der vor den Fensterscheiben des Cafés aufragt, und man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass er sehr genau zusieht, sich den roten Stern auf dem Spasskaja-Turm ein wenig in den Nacken schiebt und hämisch in sich hineinlacht. Das nenne ich totalitären Glamour…
Ich telefoniere mit Rita und sage unsere Verabredung ab. ( » Eine dringende Besprechung mit neuen Investoren für meinen Klub, echt schade, mein Häschen!«) Dann die mit Lena, die mich auf die Abschlussveranstaltung von irgendeinem öden Festival mitschleppen wollte. ( » Eine dringende Besprechung mit dem Konzern-Management, echt schade, honey!«) Ich führe ein paar Telefonate mit der Redaktion, dann mit einigen Bekannten, noch mal mit dieser blöden Janna, die mich immer noch mit den Kalamitäten ihres bescheuerten Junkiebruders nervt. Den Anruf von diesem Trampeltier Katja, die ihr Casting verpatzt hat, ignoriere ich. Irgendwann muss schließlich auch unsereiner mal Wochenende haben, Mädels, findet ihr nicht? Das letzte Gespräch führe ich mit Marina. Ich verspreche ihr hoch und heilig, pünktlich in einer Stunde bei ihr zu sein. Gerade als sie sich ziemlich zickig beschwert, in einer Stunde sei schon vor einer Stunde gewesen, gibt mein Akku den Geist auf.
Ich rufe den Kellner und frage, ob sie hier ein Ladegerät für mein Telefon haben.
» Leider nein«, säuselt er. » Für das Nokia Sirocco haben wir im Moment kein Ladegerät da.«
» Das ist kein Sirocco«, gebe ich süffisant zurück, » sondern ein Nokia 8800.«
» Ach ja?«, macht er und wirft einen abschätzigen Blick auf mein Handy. » Ein 8800? Ich werde mal nachsehen.«
Gefühlte zwanzig Minuten später erscheint er wieder an meinem Tisch.
» An der Bar gibt es ein Ladegerät«, sagt er, nunmehr ohne eine Spur von Säuseln. Er klingt jetzt eher wie ein sibirischer Taxifahrer. » Geben Sie mir Ihr Telefon!«
» Danke, ich gehe selbst. Zahlen!« Das fehlte noch, dass so ein Flegel mein Telefon begrapscht.
Ich gebe ihm meine Kreditkarte und schlendere zur Bar.
Während ich auf mein Handy warte, nehme ich mir den Kommersant vor. Ich lese den Wirtschaftsteil quer, überfliege die Politik, befasse mich gründlicher mit Feuilleton und Börsennachrichten. Als ich nach einer Viertelstunde die Zeitung zusammenfalte, steht der Kellner vor mir.
» Ihre Kreditkarte wird nicht angenommen«, nörgelt er von oben herab.
» Das kann nicht sein. Das ist eine goldene Mastercard. Es muss sich um einen Fehler in Ihrem System handeln.«
» Möglich«, gesteht er mir gnädig zu. » Jedenfalls funktioniert sie nicht.«
» Reizendes Etablissement! Ihr Saftladen liegt direkt am Roten Platz, und man kann nicht mit Kreditkarte bezahlen! Wie machen Sie’s denn bei den Ausländern?«
Der Kellner zuckt nur die Schultern und glotzt mich abwartend an.
Wieso nimmt der diese verdammt Karte nicht an? Gestern Abend waren noch tausend Rubel drauf, mindestens. Vielleicht sogar anderthalbtausend! Alles irgendwie kompliziert… Die Situation ist umso peinlicher, weil dieser Kellner so ein blöder Schnösel ist. Jetzt steht er da und glotzt mich zufrieden an. Arschloch! In meinem Portemonnaie lagern zwei arg ramponierte Zehnrubelscheine, außerdem ein paar armselige Münzen, und das war’s. Ich durchwühle meine Jackentaschen, dann die Taschen meiner Jeans und stoße plötzlich auf einen einzelnen, mehrmals gefalteten Geldschein. Ganz, ganz langsam falte ich ihn auseinander, blinzele vorsichtig drauf und… Ja! Es gibt doch noch eine Gerechtigkeit! Ein Hunderter!
Ohne den Kellner noch eines Blickes zu würdigen, werfe ich das Geld auf den Tisch und entferne mich gemessenen Schrittes.
Kaum habe ich das Telefon wieder eingeschaltet, ruft Galina an. Das ist die Sekretärin von Issajew, einem nicht weiter erwähnenswerten Möchtegern-Gastronomen, von dem ich letzte Woche, während einer akuten
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