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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Moleskine.
    11.00 (?) Restaurant-Rating abfassen/Schitikow anrufen, wegen unseres Auftritts bei der Fete
    12.00 Fotos bei Marina abholen (Mastercard– Cash)
    13.00 Rita/Anton anrufen wegen Samstag
    15.00 Treffen mit Issajew im » Fenster«/mit Rita zusammenlegen, Mittagessen
    16.30 Redaktion. Fotos abgeben, Untertitel schreiben/das Arschloch von Polygram anrufen/Einladungen durchsehen, Abendplanung abklären/Lena anrufen/Katja anrufen (???)/Abrechnung an die Buchhaltung(??)
    17.30 Interview mit Bucharow
    19.00 zu Petruschin(??)/ins Bosko/Sawinskaja/Solarium(?)
    oder
    19.00 Abendessen (mit wem?)
    Abend: Irgendeine Fete (s. oben 16.30)
    Ziemlich viel Holz für einen einzelnen Tag. Mir ist sowieso schon aufgefallen, dass ich in der letzten Zeit terminlich extrem beansprucht bin. Wahrscheinlich lasse ich mir viel zu viele Projekte aufdrücken. Am schlimmsten ist aber die Tatsache, dass alles permanent verlegt, verschoben, umdisponiert und neu terminiert wird. Man ist ständig dabei, seinen Terminkalender umzuschreiben. Kein Mensch hält sich an seine Verabredungen. Irgendwie alles kompliziert, verstehen Sie? Da kannst du selber perfekt durchorganisiert sein, diese Büroasseln geben dir einfach keine Chance, deine Arbeit termingerecht zu erledigen. Richtig arbeiten kann man eigentlich nur mit kreativen Leuten. Wir sind einfach anders gepolt, verstehen Sie? Wir Kreativen atmen im gleichen Rhythmus, schwimmen im selben Strom, verständigen uns blind. Äh, Mist, das klingt jetzt irgendwie schräg. Wahrscheinlich bin ich ein wenig nervös wegen dieses Anrufs. Ich muss schleunigst wieder ein bisschen runterkommen. Also krame ich mein Handy raus, um ein kleines Spielchen zu machen. Das ist eine Marotte von mir, so eine Art persönliches Orakel. Vor allen wichtigen Unternehmungen spiele ich eine Partie Solitär. Geht das Spiel auf, geht alles gut, geht es nicht auf, geht’s später gut. Das haut sogar ziemlich oft hin. Und wenn nicht, habe ich wenigstens meine Nerven beruhigt. Aber bevor ich diesmal die erste Taste drücken kann, brummt das Ding los wie ein überdimensionaler Maikäfer und auf dem Display erscheint » Marinafoto«. Wie spät haben wir es? Schon nach elf? Verdammt!
    » Marina, ich bin schon in der Tür«, lüge ich drauflos. » Ich nehme mir ein Taxi und bin gleich bei dir. Hast du schon Sehnsucht?«
    » Mirkin, willst du mich verarschen? Es ist Viertel vor zwölf, und du hängst immer noch zu Hause rum? Um halb eins muss ich hier weg, und ich denke gar nicht daran, auf dich zu warten. Hast du mich verstanden?«
    » Was denn, du musst weg? Wieso denn? Wohin denn? Davon hast du mir ja gar nichts gesagt!« Wenn es darauf ankommt, kann ich vorzüglich den Volltrottel mimen.
    » Mirkin, wohin ich gehe und was ich mache, geht dich einen feuchten Dunst an. Du wolltest um zwölf hier sein. Jetzt ist es Viertel vor und du bist noch nicht einmal losgefahren!«
    » Hör mal, Marina, mir ist etwas Wichtiges dazwischengekommen. Vielleicht verlegen wir die Sache auf heute Nachmittag? Oder meinetwegen auf den Abend, wie’s dir besser passt!«
    » Also ruf mich um drei nochmal an, dann sehen wir weiter«, brummt sie missmutig.
    » Marina, ich bete dich an!«
    » Was bist du bloß für ein Chaot«, knurrt sie und schaltet ab.
    Schon zehn vor zwölf! Unglaublich, wie die Zeit vergeht, was? Ja, das ist der Rhythmus der Großstadt! Also nochmal…Marina verlegen wir auf drei. Um halb fünf wollte ich die Fotos in der Redaktion abgeben, daraus wird jetzt nichts. Später geht’s auch nicht, da ist das Interview mit Bucharow. Und extra ins Büro fahren, nur um die Abrechnungen abzugeben und die Einladungen zu checken, das ist auch Quatsch. Also streiche ich in meinem Terminplan die Punkte » Marina« und » Redaktion« ganz. Geil! Das schafft Raum. Kennen Sie dieses Gefühl? Ein einfacher Strich und man fühlt sich, als hätte man die Sache schon erledigt.
    Jetzt bloß noch das Restaurant-Rating zusammenschmieren, noch einen Kaffee einfüllen und dann ab zu Rita. Die erste Hälfte des Tages ist so gut wie geschafft. Was mir an meinem Beruf gefällt, das ist die Flexibilität. Aber ehrlich gesagt, mag ich meinen Beruf sowieso.
    Beginnen wir mit einer Definition. Ein Journalist– was ist das? Auf meiner Visitenkarte steht » Glamour-Manager«, wie bereits bemerkt, aber ich würde den Begriff erheblich weiter fassen. Ich verstehe mich als einen » Provider of Spirits«. Für unsere Konsumenten sind wir Träger sakralen Wissens. Wir

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