Neonträume: Roman (German Edition)
der sich eigentlich? Er hat keine Zeit, sich mit unseren Topkunden zu treffen? Alle anständigen Projekte kriegt diese Ziege Wlasowa in den Hintern geschoben, und der Dreck, der landet wo? Natürlich bei Reschetnikowa! Bei mir! Jeder in der Agentur weiß, dass der Boss die Wlasowa bumst, na und? Meinetwegen! Wenn du auf Mickymäuse mit krummen Beinen stehst, bitte, das ist deine Sache, das ist absolut dein Privatvergnügen! Aber Geschäft ist Geschäft! Ich sehe nicht ein, dass sie immer die Sahnestücke kriegt und ich darf Scheiße fressen! Und das hab ich ihm auch genauso gesagt…«
Während sie mir diesen Vortrag hält, rast Rita wie eine Furie durch die Wohnung und zerteilt dabei die Luft mit ihren Handkanten in kleine Stücke. Sie trägt einen kurzen, gelben Kimono und kleine weiche Zehenspreizer (ihre Pediküre ist gerade eben gegangen). Deshalb muss sie beim Gehen sehr genau aufpassen, wie sie ihre Füße setzt. Erinnert mich irgendwie an eine Ente aus einem Zeichentrickfilm. Ich sitze auf dem Sofa, blättere in der make up und sage ab und zu » ja« oder » nein« oder » hunderprozentig«, je nach dem Tonfall, mit dem Rita einen Satz beendet. Gerade denke ich darüber nach, dass es mich doch interessieren würde, ob Scarlett Johannsons Brüste echt sind oder nicht, da ruft Rita aus der Küche:
» Interessiert dich das?« Ein wenig erstaunt, dass sie jetzt schon meine Gedanken lesen kann, antworte ich wahrheitsgemäß:
» Doch, eigentlich schon. Dich nicht?«
Rita erscheint in der Küchentür. » Hörst du mir überhaupt zu? Ich habe dich gefragt, ob es dich interessiert, was ich dir erzähle?«
Gerade will ich ihr versichern, dass mich das außerordentlich interessiert, als sich die Musikanlage einschaltet und irgendwelche Lounge-Musik losdudelt. Gleichzeitig klingelt ein Telefon. Ganz automatisch fangen wir beide an, nach unseren Handys zu kramen, Rita in den Taschen ihres Kimonos, ich in meiner Jeans. Aber mein Gerät zeigt keinen Anruf an, und auch Ritas LG schweigt. Wir stehen da und machen dumme Gesichter. Plötzlich fällt Rita etwas ein und sie rennt ins Bad. Als sie zurückkommt, hat sie ein Nokia am Ohr. Dasselbe Modell wie meins, nur mit einem bunten folkloristischen Muster wie aus einem russischen Märchenbuch.
» Ich rufe dich zurück, ich bin gerade in einer Besprechung«, sagt sie und lässt das Handy in ihre Kimonotasche rutschen.
» Schickes Handy hast du da!« Ich fummele mir eine Zigarette aus der Packung und zünde sie an. » Neu?«
» Hab ich von der Agentur«, erklärt sie. » Ich hab ihnen gesagt, wenn sie ihr Image über das äußere Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter aufpeppen wollen, dann sollen sie doch mit den Handys anfangen.«
» Nette Arbeitsstelle hast du, mein Häschen. Könnte mir auch gefallen.« Ich atme den Rauch aus, beuge mich vor und ziehe sie an der Hand zu mir heran.
» Andrej, wie oft habe ich dir gesagt, dass ich es hasse, wenn du rauchst! Du denkst immer nur an dich!«
» Mein Häschen, du bist ungerecht! Im Augenblick denke ich nur an dich.«
» Mach sofort die Zigarette aus!«
Ich reiße den Deckel von der Zigarettenschachtel ab und zerdrücke die Kippe darin.
» Igitt, du Ferkel! Wirf das sofort in den Müll! Wie das stinkt!« Rita hält sich theatralisch das Näschen zu.
Also gehe ich brav in die Küche, versenke den ganzen Krempel im Mülleimer und schlurfe, inzwischen schon reichlich genervt, zurück ins Wohnzimmer. Dabei kommt mir eine volle Einkaufstüte in die Quere, die Rita pfiffigerweise genau auf der Türschwelle abgestellt hat. Sie fällt um und ihr Inhalt verteilt sich gleichmäßig über den Flur. Auf den Knien rutschend krame ich Papiertaschentücher, Deos, Zahnstocher, Kaugummis und tausend andere für die moderne Frau lebensnotwendige Kleinigkeiten wieder zusammen. Als mir eine glänzende Tube Lacalut Brilliant White in die Hände fällt, rufe ich zu Rita hinüber:
» Edles Zeug, womit du dir deine Zähnchen bürstest, mein Häschen. Nicht gerade billig.«
Sie kichert. » Sag nicht, die kannst du dir nicht leisten, du Armer.«
» Mit sowas putze ich meine silbernen Manschettenknöpfe von Dior, aber nicht meine Zähne«, gebe ich zurück. » Dafür ist sie mir zu kostspielig.«
» Was machst du da eigentlich? Komm schon her, du Dummchen!«
» Siehst du, jetzt, wo der Rauch sich verzogen hat, wie mein Herz schlägt?«, albere ich herum, um meine Gereiztheit zu zerstreuen. Rita kichert wieder, ich greife sie mir und ziehe sie
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