Neonträume: Roman (German Edition)
wann hört das endlich auf?
» Ich… you know…«, ächze ich und schniefe ein bisschen. Schniefe nochmal. » So eine Frau wie dich hatte ich noch niemals.«
Und das ist die reine Wahrheit, alle anderen konnten ohne weiteres atmen, wenn ich nicht da war.
Weitere zehn Minuten sitzen wir so da, umarmen uns, streicheln uns und so weiter, genau wie die Affen im Zoo, und ich denke, dass ich ganz schön in der Tinte sitze. Zuerst Rita mit ihrer famosen Idee, zu mir zu ziehen, jetzt Lena mit ihren Heiratsplänen. Dabei sind sie doch eigentlich ganz nette, brauchbare Mädchen, alle beide, wäre schade, wenn ich sie wegen irgendwelchem Blödsinn abhängen müsste. Auf der anderen Seite merke ich ja schon seit einer ganzen Weile, dass ich es satthabe, dass es Zeit wird, das Format zu wechseln und so weiter. Aber gleich so radikal? Gleich alle beide in die Wüste schicken? Warum bloß ich? Warum stellt das Schicksal ausgerechnet mich immer vor die allerbeschissensten Entscheidungen? Völlig gleich, wie ich mich hier positioniere, die Situation ist und bleibt beschissen. Da hocke ich, gefangen in Lenas Armen, und die Tränen laufen mir die Wangen herunter. Ich tue mir wahnsinnig leid.
Endlich stehe ich auf, präsentiere Lena ein letztes Mal den köstlichen Anblick meines verweinten Gesichts und verfüge mich ins Bad. Stelle mich unter die Dusche, drehe die Hähne ganz weit auf und halte den Kopf unter den warmen Strahl. Erstmal entspannen. Mal sehen, wann sie endlich abhaut. Sie kann ja nicht ewig da im Schlafzimmer rumhängen, immerhin ist heute ein ganz normaler Arbeitstag! Es gibt ja noch so etwas wie Arbeitsdisziplin und Pflicht und so weiter. Ich spüre fast körperlich ihre Anwesenheit hinter der Tür, und das nervt jetzt echt. Was stehst du da rum und vergeudest deine Arbeitszeit? Oder ist es deinen Leuten egal, wann du am Arbeitsplatz erscheinst?
» Andrej«, sagt sie durch die Tür. » Liebling, ich fahre jetzt los. Ich liebe dich. Wir sehen uns heute Abend. Ruf an, wenn du gehst.«
» Gut«, nuschele ich.
Sie geht. Ah, endlich!
» Andrej!«
Verdammte Scheiße, was ist denn noch?
» Weißt du, ich wollte dir nur sagen, dass du… dass du einfach wunderbar bist. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann in so einem Moment weint, nicht einmal im Kino. Du bist hinreißend. Ich liebe dich.«
» Ich… bete dich an«, brumme ich und spucke einen Schwall Wasser an die Wand.
Ich glaube, jetzt ist sie endlich weg. Ich drehe die Hähne noch weiter auf, versuche, mich zu entspannen, indem ich an meinen Traum denke. Frauen, Frauen, Frauen… Manche Leute verbinden die Erinnerung an die Jahre, die sie hinter sich gelassen haben, mit ihren Erfolgen in Ausbildung oder Karriere, mit politischen Wahlen oder Wirtschaftskrisen, andere orientieren sich an den Preisen für Heizöl oder Benzin. Bei mir ist das anders. Wenn es so etwas wie Marksteine in meinem Leben gibt, dann sind das die Frauen. Sagt jemand 2002, dann denke ich an Mascha und Kristina, die beiden Studentinnen von der historischen Fakultät, mit denen ich in dieser Zeit eine lebhafte Doppelromanze hatte. 2003– das war die heiße Affäre mit Olga, 2004 und 2005, na ja, das waren zwei ziemlich chaotische Jahre, 2006: Janna, Julia und Katrin, und 2007 dann Rita und Lena. Frauen sind meine Karriere, meine Poesie, Frauen sind meine Universitäten, um es mal mit Gorki zu sagen… Aber trotzdem, ein Gigolo war ich nie. Durch die Frauen habe ich das Leben kennengelernt, unterschiedliche soziale Schichten, unterschiedliche Berufe und Geschäftszweige, unterschiedliche Szenen. Sie haben mich in meinem Leben vorwärtsgebracht, mich vorangetrieben. Ich kann ohne weiteres sagen, dass ich mich in dieser Welt nach den Flammen der Leidenschaft nicht schlechter orientiert habe als ein Schiff am Licht eines Leuchtturms. Ich konnte nie genug bekommen, ständig war ich auf Jagd, habe mich verliebt, wurde geliebt, habe erobert und mich erobern lassen. Und kaum hatte ich eine erobert, begann ich um meine Freiheit zu kämpfen. Ein Teufelskreis. Ich bin von Natur aus polygam und werde einer Frau schnell überdrüssig. Frauen sind eben entsetzlich besitzergreifend, sie sind unersättliche Tiere. Aber ohne einander können wir nicht sein. Ja, wirklich! Mag ich auch dem Bild des getreuen Ehemanns, der seinem Eheweib auf dem gemeinsamen Lebensweg wacker voranschreitet, ein Sputnik im Kosmos der Moral, in keiner Weise genügen, so gebe ich mir doch Mühe, allen meinen Frauen das volle
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