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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Programm zu bieten. Ich bin nun einmal ein veritabler Nachfahre Casanovas: schnell entflammbar, aber wenig beständig. Dafür verlange ich auch nicht viel, ich will nur immer wieder neu überrascht werden. Im Unterschied zu anderen modernen Männern betrachte ich eine Frau nicht als bessere Gummipuppe, die dummerweise teure Speisen und noch teurere Kleider braucht. Für mich ist jede Frau ein Universum. Aber, schon mal von der Theorie der Paralleluniversen gehört?
    » Andrej, heute ist Aljonas Geburtstag. Treffen um 20:00 Uhr im Simatschow. Vergiss es nicht, bitte. Ich liebe dich«, steht in Lenas akkurater Handschrift auf einem Blatt, das sie aus ihrem Organisator herausgerissen hat. Beschwert ist der Zettel mit dem Schlüsselbund für ihre Wohnung.
    20:00 Uhr! Warum kann man nicht einfach schreiben: acht Uhr? Fehlte nur, dass sie mit » Hochachtungsvoll– Jelena Spirina, Buchprüferin« unterschreibt.
    Es ist zehn Uhr. Eigentlich finde ich es ja gut, früh aufzustehen. Man kann in Ruhe frühstücken, die Klamotten für den Tag aussuchen und dann gründlich seinen Arbeitstag planen. So schafft man doppelt so viel wie sonst. Das Problem ist nur, dass es im Augenblick für mich absolut gar nichts zu tun gibt.
    Mit Kaffee und Aschenbecher bewaffnet, begebe ich mich wieder ins Schlafzimmer und haue mich aufs Bett. Ich stecke mir eine Zigarette an und schalte die Glotze ein. Dann krame ich mein Handy aus der Tasche und tippe eine SMS an Katja. Apropos SMS : Es wird wirklich Zeit, dass ich meine SMS -Nachrichten lösche, bevor ich bei meinen Freundinnen übernachte. Natürlich ist es voll daneben, fremde Post zu lesen, aber die Möglichkeit zu haben und sie nicht zu nutzen, wäre eine sträfliche Dummheit. Lena, schätze ich, würde nicht in meinem Telefon herumschnüffeln, aber Rita… Von der kann man das ohne weiteres erwarten. Obwohl, von Lena wohl auch. Verdammt, woher hat Rita dieses Telefon? Ich wette, irgendein geiler Bock hat ihr das Ding geschenkt, hundertpro!
    » Bist du schon wach? Wie steht es mit unserer Verabredung? 12 Uhr okay?«, tippe ich.
    Um zwölf Uhr mittags ist das Coffeemania schon rappelvoll. Besser situierte Studenten, Kinder dicker Bonzen, Angestellte von Werbeagenturen, Kreative, Regisseure, Internetfreaks, Designer, Journalisten, also die ganze Bruderschaft der sogenannten schöpferischen Menschen. Ach, und natürlich die üblichen Bräute dicker Portemonnaies, die sich hier vor den Anstrengungen des alltäglichen Shoppings bei einem frugalen Frühstück stärken, westliche Geschäftsleute und russische Bürosklaven » bohemian style«. Vor allem letztere Kategorie übertrifft übrigens in punkto Witzigkeit jede professionelle Comedy-Show. Sie alle tragen Einheitsgrau, dazu rosa Hemden und Krawatten, und auf dem Tisch vor ihnen, neben einer Tasse Kaffee, einem linienfreundlichen Ceasar-Salat und dem obligatorischen Glas Wasser– ohne Kohlensäure–, liegt der Kommersant. Der Uneingeweihte bemerkt auf den ersten Blick keinerlei Unterschied zwischen den ausländischen Managern mittlerer Gehaltsstufe und den russischen Top-Managern. Nur dass die Ausländer, als preiswertes Unterscheidungsmerkmal von ihren genormten russischen Kollegen, ein winziges Haarbürstchen unter der Unterlippe tragen, mit dem sie in provokativer Weise (doch absolut im Rahmen des betrieblichen Dresscodes) ihre Individualität betonen. Es sieht aus, als hätten sie ein wenig Moos angesetzt.
    Das Coffeemania steht im Rufe, dass von ihm eine ganz besondere, sprich: ganz besonders » schöpferische« Atmosphäre ausgeht. Ich selbst kann eigentlich keinen Unterschied zu banaleren Lokalitäten wie dem Starlight, der Galerie oder dem Goodman erkennen, aber mehr als einmal habe ich gehört, wie Gäste einander mit vor Ehrfurcht bebender Stimme zuraunten: » Hier herrscht eine ganz spezielle Atmosphäre… ein ganz spezielles Publikum, verstehst du?«
    Katja verspätet sich. Ich bin bei meinem zweiten Caffè Latte, lasse meinen Blick gelangweilt durch den Raum schweifen und weiß nicht, was ich mit meinen Händen machen soll. Soll ich mir eine Zeitung aus dem Zeitungsständer nehmen? Den Kommersant?
    Das Klingeln meines Handys erlöst mich.
    » Ja?«
    » Guten Tag! Das Djaghilew-Projekt lädt Sie zu unserer Abendveranstaltung › Fata Morgana‹ am kommenden Samstag ein«, verkündet schwungvoll die Stimme einer jungen Dame aus dem Club Djaghilew, der pünktlich jeden Freitag die Telefone der Moskauer » Männer mit Potential«

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