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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Szene. Oder hier: Weißt du, was Jeremejkin neulich gemacht hat, bei einer Vernissage mit seinen neuesten Arbeiten in der Galerie Maulwurfsarsch? Was, hast du noch nicht gehört? Er hat sich eine volle Dröhnung Liquid Ecstasy reingezogen und sich während der Pressekonferenz von oben bis unten vollgeschissen! Ho, ho! Jaaa! Jeremejkin, das ist eine echte Kultfigur!«
    Ich finde, man sollte Petersburg nicht Kulturhauptstadt nennen, sondern Kulthauptstadt, das passt besser zu diesen Gestalten.
    Die Petersburger sind vollkommen hemmungslos, sie kichern und gackern wie halbwüchsige Teenager, und ständig rufen sie alle zusammen ganz laut » Ooooohhh!« und » Aaaaahhhh!«, wenn der nächste Schwachsinn erzählt wird. Ungeachtet der Tatsache, dass es bei ihren Gesprächen grundsätzlich um gar nichts geht, spicken sie ihre Vorträge bis zur Absurdität mit hohlen Phrasen wie » Gender Gap«, » Philosophie der Sachzwänge« und ähnlichem Mist, aber wenn man sie dann fragt, womit sie ihr Geld verdienen, kriegt man nur total nebulöse Antworten. Dann hört man Sachen wie Galerist, Sound-Producer, Literaturkritiker oder Heimatforscher. (Kein Witz, hab ich selbst erlebt!) Und alle durch die Bank tragen sie total unglaubwürdige, absolut barbarische Namen, zum Beispiel Rimma, Taissija, Alfred oder Jean. Ich habe einmal den Fehler gemacht, bei Rita anzufragen, ob diese Namen echt seien oder ziemlich schräge Pseudonyme (wovon ich natürlich ausging). Aber Rita meinte, es gehöre sich nicht, seinen Gästen solche Fragen zu stellen, sie wurde richtig sauer, woraus ich den messerscharfen Schluss zog, dass ihre Freunde wirklich so heißen, wie sie sich nennen. Jetzt frage ich mich nur noch, welche Drogen Eltern einnehmen, die ihren Kindern solche Namen verpassen: Mescalin? LSD ? Oder vielleicht Pilze?
    Ich spüre Ritas tadelnden Blick auf mir ruhen. Mir ist klar, was dieser Blick zu bedeuten hat: Sei kein Muffel, unterhalte dich mit den Leuten! Also schiebe ich meinen Saft zur Seite und bestelle mir einen doppelten Dewar’s, um mich für diese Schlacht zu rüsten. Aber es fällt mir verdammt schwer. Vor allem habe ich mir mal wieder nicht gemerkt, wie die Leute heißen. Deshalb rede ich nur, wenn ich sicher bin, dass jemand mich direkt angesprochen hat. Eigenständige Gesprächsbeiträge oder gar Rückfragen unterlasse ich tunlichst. Natürlich könnte ich jeden vertraulich mit Wasja anreden, wie das in meinen Kreisen üblich ist, aber ich fürchte sehr, diese Jünger des Kults würden mir das schwer übelnehmen. Um mich wenigstens irgendwie einzubringen, sage ich in regelmäßigen Abständen: » Voll geil, Alter!«, im selben Duktus wie der Junkie aus diesem Video auf YouTube. Aber entweder wissen diese Typen nicht, was YouTube ist, oder ich kriege die Stimme nicht richtig hin. Jedenfalls geht’s voll daneben. Eine von den Frauen (eine Alina, glaube ich) fragt mich nach Moskauer Underground-Clubs. » Was denn, gibt es sowas?«, frage ich zurück. Rita tritt mir heimlich auf den Fuß und sagt: » Andrej scherzt, er weiß natürlich alles über die Moskauer Clubs«, woraufhin mich Alina (?) mit allen möglichen Namen bombardiert, die sie angeblich von ihren Insider-Bekannten aus der Moskauer Szene gehört hat. Bei jedem Namen sage ich stereotyp: » Da geht doch keiner hin«, womit ich sie am Ende ziemlich auf die Palme bringe. Schließlich sagt sie mit vor Ärger spitzem Mündchen: » Na, wenn dir das alles nicht gefällt, dann schlag du doch mal was vor!« Statt einer Antwort erzähle ich ihr den alten Junkie-Witz vom kleinen Elefanten, dem Äffchen und der Riesenschlange aus dem Trickfilm 38 Papageien, die einmal hundert Rubel fanden und nicht wussten, wofür sie sie ausgeben sollten.
    » Wir könnten uns von dem Geld doch eine bunte Glaskette kaufen!«, schlägt das Äffchen vor.
    » Und was sollen wir mit dem Scheiß?«, fragt der kleine Elefant.
    » Oder wir könnten uns davon Bonbons kaufen!«, ruft die Riesenschlange.
    » Und was sollen wir mit dem Scheiß?«, fragt der kleine Elefant.
    Es folgen Vorschläge wie Plüschtiere, Kinokarten und so weiter: Jedes Mal die gleiche Antwort vom kleinen Elefanten. » Wenn dir alles nicht gefällt, dann denk du dir doch was aus!«, ruft da ein Papagei. » Na gut«, antwortet der kleine Elefant. » Wir kaufen von dem ganzen Geld Luftballons und lassen sie fliegen!«– » Warum sollen wir sie denn fliegen lassen?«, fragen alle im Chor. » Na ja, was sollen wir mit dem Scheiß?«,

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