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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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stoße mit der nächsten Frau zusammen. Ich erkenne gerade noch einen Typen mit Fernsehkamera neben ihr, da sticht mir gleißendes Scheinwerferlicht in die Augen, die Tussi schiebt mir ein Mikro mit dem MTV -Logo unters Kinn und quatscht los: » Hallo, bist du schon lange hier, wie gefällt dir die Party?«
    » Ah, ich bin gerade erst gekommen, ich weiß noch nicht.« Aus den Augenwinkeln heraus peile ich die Lage und versuche zu checken, was jetzt der Anlass für dieses Spontaninterview ist. Bin ich endlich in die Liste der Top 100 der schönsten Menschen Moskaus aufgenommen? Und warum weiß ich davon noch nichts? Wahrscheinlich ist es gerade erst passiert. Aber wie haben die mich dann so schnell gefunden? Wem habe ich erzählt, dass ich hier bin? Egal, meine Stimmung klettert schlagartig nach oben. Mein erstes Interview– der Grundstein meines Aufstiegs, sozusagen. Jetzt kommt es darauf an, Haltung zu zeigen.
    » Bist du öfter hier? Geiles T-Shirt hast du an!«, rückt mir die MTV -Tante auf die Pelle. » Welche Musik hörst du am liebsten?«
    » Das T-Shirt ist ganz normal, es sitzt bloß gut, ich habe mir nämlich zwei Rippen rausnehmen lassen, das macht Taille, verstehst du? Musik? Ganz unterschiedlich. Von Trip-Hop bis Achtziger-Jahre-Pop, von Gangsta-Rap bis Radiohead. Aber eigentlich ist mir Musikhören nicht so wichtig, ich mache lieber selber welche. Die letzte Scheibe von Moskauer Schnee, meinem Projekt… Sag mal, kannst du die letzte Frage nochmal stellen, ich hatte gerade die Augen zu, glaube ich, das Kameralicht blendet so…«
    » Hm-hm«, nickt das Mädchen. » Wie heißt du?«
    » Wie ich heiße? Soll das ein Witz sein? Du schießt ja echt aus der Hüfte, Häschen! Ich bin Andrej Mirkin, falls das jemand noch nicht mitgekriegt hat!«
    » Danke«, quiekt sie.
    » Meine Musik hält die ganze Stadt in Atem«, rede ich weiter, während der Typ seine Kamera ausschaltet und das Mädchen das Mikrofon einpackt. Ehe ich meinen Satz zu Ende gesprochen habe, sind sie schon weg.
    » He, was soll das denn? Ich war noch nicht fertig! Was ist das denn für ein scheiß Interview! So kann man doch nicht arbeiten!«
    Langsam dämmert mir, dass ich hier anscheinend etwas missverstanden habe. Das war überhaupt kein Promi-Interview, sondern ein beschissener Drei-Sekunden-Clip für irgendeine Schnullisendung im Frühabendprogramm: Zwei Teenie-Mädels winken in die Kamera und kreischen » Gruß nach Samara!« Wie ich dieses Leben hasse!
    Als ich zu der Petersburger Runde zurückkomme, sind alle schon ziemlich blau. In der Mitte des Tisches steht eine Wasserpfeife, drumherum Tassen mit grünem Tee und Wodkagläser. Die Boheme hat es sich gemütlich gemacht.
    » Da ist er ja!«, ruft einer von den Jungs aufgeräumt. » Wo warst du denn so lange?«
    » Wahrscheinlich hat er sich einen neuen Witz ausgedacht«, faucht Rita.
    » Wir haben gerade beschlossen, tanzen zu gehen, aber wir wissen nicht, wohin. Am liebsten ein richtig cooler Underground-Klub«, quatscht der Typ weiter. » Übrigens, ich bin Nikita Schwimmkata«.
    » Schwimm was?«, frage ich verdutzt.
    » Kata. Von Kater, verstehst du? Das ist mein Internet-Nickname«, klärt er mich auf.
    » Alles klar«, stöhne ich. Mir wird plötzlich flau im Magen.
    » Also was ist jetzt mit Underground?«
    Ich war eine geschlagene halbe Stunde weg, und diese Fuzzis kauen immer noch auf demselben Thema rum. Ich verstehe gar nicht, wieso die keine Junkie-Witze mögen.
    » Wenn ihr auf Underground steht, solltet ihr es mal mit der Metro versuchen. Ich fürchte nur, die macht demnächst dicht«, grunze ich zerstreut und suche nach meinem Whisky. Anscheinend hat ihn einer weggesoffen.
    Jemand ruft meinen Namen, ich drehe mich um und sehe in einer entfernten Ecke Ljocha sitzen, inmitten einer Schar ehrwürdiger Veteranen der hauptstädtischen Szene und mehrerer hochgetunter, nicht mehr ganz junger Damen. Ich grüße zurück, aber dann fällt mir ein, dass er ja morgen Geburtstag hat. Also stehe ich auf und gehe zu ihm rüber. Ich denke, ich muss nicht extra erklären, dass ich mich für mein neuerliches Verschwinden bei den Petersburgern nicht groß entschuldige.
    » Grüß dich, Alter«, sagt Ljocha. Wir umarmen uns. » Kollegen, das ist Andrej, der begabteste Journalist der Stadt. Mit wem bist du hier? Wollt ihr nicht zu uns rüberkommen?« Er schaut zu meinem Tisch. » Die Stimmung ein bisschen anheizen?«
    » Ich weiß nicht. Ich bin mit einer Frau hier, die anderen sind

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