Neonträume: Roman (German Edition)
sitzenzulassen wie eine alte Handtasche, wie?«
Hat sie etwa Wind gekriegt? Mann, das ist die Gelegenheit für den Cut! Einfach perfekt!
» Wenn du dir vorstellen könntest, wie gerne ich einfach mal mit dir ins Kino gehen würde. Egal in welchen Film. Anschließend auf dem Twerskoj-Boulevard spazieren gehen und Eis essen. Manchmal möchte ich so etwas, verstehst du?«
Nein, sie ist ahnungslos. Schade. Das heißt, überhaupt nicht schade, eher Gott sei Dank, ansonsten– goodbye, money!
» Dreimal hab ich dumme Pute dich angerufen. Zuerst: Andrej, lad mich doch mal ins Kino ein! Andrej versteht Bahnhof. Dann: Andrej, komm, gehen wir ins Kino! Andrej pfeift mir was. Und zu guter Letzt: Andrej, jetzt lade ich dich ins Kino ein! Aber nein, Andrej kann nicht!«
» Ich konnte wirklich nicht!«
» Tatsächlich? Mir ist aufgefallen, dass du nie kannst, wenn ich mal wirklich etwas von dir will.«
Soll ich dich jetzt an die zehn Riesen erinnern, du Miststück?
» Ich habe Angst, Pläne für die Zukunft zu machen, verstehst du? Ich habe Angst, ich erzähle dir irgendwann etwas wirklich Wichtiges, und du kannst mal wieder nicht! Oder es kommt wieder zu überraschend! Und dann stehe ich da, klimpere dumm mit den Wimpern und fasele…«
» Du faselst jetzt schon, Häschen. Du faselst so einen Blödsinn! Weißt du, gestern im Coffeemania hab ich ein Gespräch am Nachbartisch mitgehört…«
» Übrigens: Coffeemania! Meine Freundin Sascha hat dich dort mit einer Frau beim Essen gesehen.«
» Das war Mitrochina, die Pressesprecherin vom Beobachter, ich habe versprochen, ihr zu helfen, einen dicken Brocken an die Angel zu kriegen.«
» Ach ja? Deine Mitrochina muss sich gut pflegen, Sascha hat sie auf zweiundzwanzig geschätzt.« Ritas Augen schießen Blitze.
» Hör mal, was soll das jetzt?« Ich schalte noch einen Gang höher. Unbegründete Eifersucht ist ein wunderbarer Anlass für eine Trennung, genau das, was ich brauche. » Kaum erscheine ich irgendwo in Gesellschaft einer Frau, schon sieht mich deine Freundin Sascha oder deine Freundin Mascha und hat nichts Eiligeres zu tun, als mich zu denunzieren und dir haarsträubende Geschichten zu erzählen. Lässt du mich bespitzeln? Warum suchst du ständig einen Grund zur Eifersucht, wo es keinen gibt und keinen geben kann? Willst du jetzt ein Problem konstruieren, damit du einen Grund zur Trennung hast? Dann lass uns das gleich erledigen, wozu lange nach Gründen suchen, das geht auch ohne! Ich kann so nicht mehr weitermachen, Häschen! Ich bin es leid, mich immer wieder wegen Nichtigkeiten rechtfertigen zu müssen. Wie soll ich eine Beziehung zu einer Frau aufrechterhalten, die mir nicht vertraut? Alles zerfällt mir vor den Augen. Alles zerbricht, und ich kann es nicht aufhalten, verstehst du? Überleg es dir, vielleicht sollten wir…«
Ich sehe sie an, die Augen voller Schwermut und Traurigkeit und denke, wie brillant mir doch diese Abschiedsrede gelungen ist. Sogar dieses » Überleg es dir«– so in der Art: Die Entscheidung liegt bei dir, Häschen! Ich habe zwar alles längst entschieden, aber den Schlusspunkt musst du setzen, liebe Rita! Perfektes Timing! Die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und alles ganz logisch auf die unvermeidliche Trennung hinleiten! Und die Kohle… Das mit der Kohle klären wir schon noch.
Und gerade als ich noch eine dekorative Krokodilsträne hinterherschicken will, verbunden mit einer hinreißenden Grimasse verzweifelten Schmerzes über die unumgängliche Trennung, gerade als ich meinen letzten tragischen Satz mit der dramatischen Wendung » Vielleicht sollten wir uns wirklich trennen« krönen will, schießt es mir wie ein elektrischer Schlag durchs Hirn: Sie wird uns den Auftritt kaputtmachen! Sie wird sich bei Schitikow ausheulen und dann… dann schickt er uns zum Teufel.
Mein Mund steht schon offen, bereit, die finalen Worte zu formen, aber heraus kommt nur Wortkonfetti: » Vielleicht… soll… sollten… ääähh… vielleicht…«
Die Augen voller Tränen starrt Rita mich an und erwartet begierig das Ende meines Satzes. Es entsteht eine Pause.
Wir schauen einander an, unsere Lippen beben, unsere Stimmbänder produzieren blubbernde Laute. Ich stecke in einer Sackgasse, das drohende Aus unseres Auftritts hängt wie ein Damoklesschwert über mir. Verzweifelt suche ich nach der rettenden Formulierung, aber alles, was mir einfällt, ist: » Rita, ich liebe dich!« Womit ich mein Gesicht endgültig verloren, aber immerhin den
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