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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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sagt der kleine Elefant.
    Alle schweigen. Irgendwer macht einen kleinen Kiekser. Rita tritt mir wieder wütend auf den Fuß. Ich trinke meinen Whisky aus, grinse schräg und sage so was wie: » Ich dachte, ihr mögt vielleicht Junkie-Witze.« Und verschwinde aufs Klo.
    Ich schließe mich ein und bleibe erstmal eine geschlagene Viertelstunde auf der Schüssel hocken, in tiefes Nachdenken versunken. Wie mir das alles auf die Eier geht! Ich möchte mich von Rita trennen, Lena zum Teufel schicken und überhaupt ein anderes Leben anfangen. Gleich morgen früh möchte ich Katja anrufen und zu einem Spaziergang im Park einladen, später ins Theater oder ins Kino oder sonstwohin, ganz egal. Und Montag fahre ich dann einfach bei ihr vorbei, da wo sie eben wohnt, und sage einfach: Mein Auto steht unten, pack deine Sachen, wir fahren! Oder so ähnlich. So eine Wahnsinnsfrau darf man nicht entwischen lassen. Bei so einer Frau kann man all seine ausgebufften Anmachtechniken und das ganze coole Gehabe einfach nur ins Klo hauen, so eine Frau muss man einfach nur lieben, man muss sie mit der ganzen Seele einatmen, ihr Gedichte schreiben, ihr…
    Aber irgendwie habe ich Schiss! Es kann ja auch ganz anders ablaufen! Da komme ich wie ein verliebter Bajazzo bei ihr angefahren, und ihr junger (oder, schlimmer, ihr nicht mehr junger) Freund macht die Tür auf… Oder ihre fette Mama, oder ihr besoffener Papa, oder… Oder sie sagt zu mir: Andrej, ich glaube, du hast da etwas falsch verstanden. Ich habe das alles nicht so gemeint. Lass uns gute Freunde sein! Was mach ich dann? Soll ich mich dann auf den abgescheuerten PVC -Fußboden schmeißen und Rotz und Wasser heulen, soll ich meinen Schädel auf die speckigen Küchenfliesen hämmern und jammern: Warum? Warum nur? Warum gerade jetzt, wo ich mein ganzes Leben ändern wollte? Gibt es überhaupt noch echte Menschen in dieser Stadt, oder gibt es nur noch Model-Zombies? Wieder ergreift mich tiefes Mitleid mit mir selber, und ich fasse den Entschluss, dass es besser ist, mit überhaupt keinem Auto und nirgendwohin zu fahren, sondern lieber einfach abzuwarten, wohin diese ganze Geschichte steuert. Verdammte Petersburger!
    Schließlich denke ich, dass es wahrscheinlich langsam Zeit wäre, das Klo zu verlassen. Mein langer Aufenthalt hier könnte bei diesen Leuten ungerechtfertigten Verdacht hervorrufen. Nicht dass mir das besonderes Kopfzerbrechen bereiten würde, von wegen, mein guter Ruf (he, he) könnte beschädigt werden oder so. Aber trotzdem finde ich es nicht besonders angenehm, mir vorzustellen, diese Leute könnten darüber nachdenken, was ich auf dem Lokus mache. Vor allem wenn man nur auf der Schüssel sitzt und beinahe heult vor Verzweiflung und Gram, während der Rest der Stadt an diesem Örtchen sich für gewöhnlich Schnee ins Hirn zieht oder Ecstasy frisst oder wenigstens bumst. Also ziehe ich mir Papier von der Rolle, putze mir damit die Nase, drücke die Spülung und mache die Tür auf. Vor mir steht eine fremde Braut. Was soll das jetzt? Hab ich Blödmann die Klos verwechselt? Hat dieses ständige Grübeln über Katja mir komplett das Hirn verdreht? Oder sollte ich doch endlich aufhören zu trinken und nach Hause verschwinden?
    Ich schiebe mich an der (sehr hübschen, wie ich bemerke) Braut vorbei und will mich aus dem Staub machen. Sie geht in die Kabine und schnaubt verächtlich. Meine Verlegenheit wächst.
    » Es war nicht, was du denkst«, stammele ich wie ein Idiot.
    » Ich hab überhaupt nichts gedacht«, antwortet sie. » Und wenn ich was gedacht habe, dann bestimmt nicht an dich.«
    » Woran denn?« Aus irgendeinem Grund liegt mir plötzlich daran, das Gespräch fortzusetzen. » Hast du überlegt, wo du was herkriegst?«
    » Ich habe überlegt, dass ich mir eine neue Wohnung zulegen sollte, oder ein neues Auto, und dass es nichts Schlimmeres gibt als beschränkte und kleinkarierte Männer. Das hab ich gedacht, kapiert?« Ihre Stimme klingt dumpf durch die Kabinentür. » Und jetzt verzieh dich, Schätzchen!«
    Diese Anrede stimmt mich schon optimistischer.
    » He, wart mal, was meinst du denn jetzt mit beschränkt und kleinkariert? Und was ist mit der Liebe?« Ich versuche dranzubleiben. » Kennst du überhaupt die Liebe, Mädchen?«
    » Erstmal will ich in Ruhe pissen«, antwortet sie müde. » Mir ist so schon schlecht.«
    Ich gehe.
    » Eine verdammte Scheiße ist das«, höre ich als Letztes, dann ziehe ich die Toilettentür hinter mir zu, drehe mich um– und

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