Nephilim
dem Prasseln des Feuerwerks und den freudigen Stimmen der Nephilim. Knisternd fielen die Funken auf die Dächer der Stadt nieder, Nando fühlte ihre Farben wie Schmetterlingsflügel auf seinem Gesicht. Jeder Schmerz war aus seinem Körper gewichen, seine linke Hand bewegte sich unter seinem Willen, als hätte sie nie etwas anderes getan. Zart und schwermütig zogen die Klänge seiner Musik durch die Straßen, und als die ersten Nephilim zu ihm hinaufschauten und für einen winzigen Moment nichts als Staunen auf ihren Gesichtern lag, da meinte er, ein Lachen aus der Geige zu hören – hell und klar wie fallender Regen auf Blütenblättern.
17
Die Laternen Bantoryns glommen in rötlichem Licht. Es war Abend in der Oberwelt, und auch in der Stadt der Nephilim hatte die ruhige Phase des Tages begonnen. In gemächlichem Tempo liefen die Bewohner durch die Straßen, erledigten Einkäufe oder saßen auf den öffentlichen Plätzen zusammen.
Nando schlenderte mit dem Geigenkasten auf dem Rücken und Kaya auf der Schulter am Ufer des Schwarzen Flusses entlang und bemühte sich, die stechenden Schmerzen der Prellungen und blauen Flecke zu ignorieren, die ihn seit seinem Kampf gegen die anderen Nephilim peinigten. Langsam bewegte er die Finger der linken Hand, und wieder fuhr ihm die Kälte der Hilflosigkeit in die Glieder, die er gefühlt hatte, als er aufgrund der Schwäche seines Armes das Schwert nicht hatte packen können, um die Angriffe der anderen abzuwehren. Antonio hatte recht gehabt, er konnte nicht gegen den Obersten Schergen des Teufels bestehen, wenn er mit seinem verletzten Arm nicht einmal ein Schwert umfassen konnte, von seiner Flugunfähigkeit ganz zu schweigen. Noch immer hingen seine Schwingen nutzlos von seinem Rücken herab und zogen den Spott der anderen Novizen auf sich, und er war froh gewesen, als er am Morgen eine Nachricht von Morpheus erhalten hatte mit der Aufforderung, zu ihm hinab ins Schlangenviertel zu kommen. Er hatte zwar keine Ahnung, wie Morpheus ihm helfen wollte, aber einen Versuch war es allemal wert.
Das Viertel lag in einer Kluft zwischen zwei pechschwarzen Stalagmiten im untersten Bezirk der Stadt. Je weiter Nando und Kaya sich vom Mal’vranon entfernten, desto finsterer wurden die Straßen. Nur vereinzelt standen noch Laternen, und immer wieder schoben sich zwielichtige Gestalten aus den Eingängen der Häuser, die sich zu den Seiten der Gassen erhoben wie versteinerte Trolle mit geneigten Köpfen. Und dennoch fühlte Nando keine Anspannung, während er durch die Straßen ging. Er war noch nie in einer orientalischen Stadt gewesen, aber so ähnlich stellte er sie sich vor. Die Gassen waren eng und verschlungen und ließen ihn an Genuas caruggi denken und an die geheimnisvolle Altstadt der ligurischen Metropole. Manche Gebäude schienen dem Verfall nahe zu sein, doch in den engen Gassen tummelten sich unzählige Straßenhändler. Nando folgte einem schmalen Nebenlauf des Schwarzen Flusses und ließ seinen Blick über die Kinder gleiten, die vereinzelt mit Netzen auf den Steinen im Wasser hockten. Mitunter zogen sie einen zappelnden Fisch mit fluoreszierenden Schuppen und großen, an Fühlern befindlichen Augen aus dem Wasser und freuten sich darüber, als hätten sie einen Schatz gefangen.
Kaya kicherte auf Nandos Schulter, wenn der Fisch sich mit heftigen Schlägen seiner Flosse wehrte und nicht selten von seinem erschrockenen Jäger umgehend in den Fluss zurückgeworfen wurde. Eine ruhige, fast alltägliche Gelassenheit lag über der Stadt, die Nando unweigerlich an die Abende auf den Straßen und Plätzen Roms denken ließ. Gerade im Sommer verbrachte er kaum einen Abend in der Wohnung, sondern traf sich mit Freunden oder seiner Tante und ihren Bekannten unter freiem Himmel, um gemeinsam zu essen oder einfach Zeit zusammen zu verbringen. Sein ganzes Leben lang war das so gewesen, und eine leise Wehmut stieg in ihm auf, als er seinen Blick über die zusammengestellten Tische und Bänke eines Restaurants am Straßenrand gleiten ließ, an denen einige Nephilim ausgelassen diskutierten. Ob er jemals wieder in einer solchen Runde sitzen würde, in Bantoryn oder der Oberwelt?
Gedankenverloren strich er mit der rechten Hand über seine Flügel. Er würde sie verlieren, wenn er sich für ein Leben jenseits der Schatten entschied, viel zu auffällig waren sie unter den Augen der Engel, und eigentlich war es nicht schade um sie, da er sie ja ohnehin nicht benutzen konnte. Noch vor
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