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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Kurzem hätte er sich nichts Schöneres vorstellen können, als wieder ein normales Leben zu führen, doch nun … Er seufzte leise. Obwohl ihm nicht nur die Novizen, sondern auch andere Nephilim weiterhin mit Missachtung und Feindseligkeit begegneten, obgleich er noch so neu war in der Stadt, ein Außenseiter und Fremdkörper für die meisten, und ungeachtet dessen, dass kaum eine Stunde verging, in der er nicht mit stechendem Heimweh an Mara und seine Freunde dachte, fühlte er doch, dass der Zauber Bantoryns ihn durchwehte wie der rote Staub des Mohns die verschlungenen Gassen. Er sammelte die Geschichten, die diese Stadt erzählte, und mit jedem Wort schien es ihm, als würde er ihr Geheimnis mehr begreifen.
    Er dachte daran, was Kaya ihm über Tolvin erzählt hatte, den mürrischen Brückenwärter mit dem vernarbten Gesicht, der keine Gelegenheit ausließ, um Nando mit Abscheu und Missachtung zu behandeln. Yrphramar erzählte mir, dass Tolvin in jungen Jahren aufgrund seiner plötzlich erwachenden magischen Fähigkeiten von seiner Familie in der Oberwelt verstoßen wurde. Sie haben ihn davongejagt, und er wäre daran zerbrochen, hätte er nicht in dieser Stadt eine Zuflucht gefunden. Später geriet er in die Hände der Engel, doch er ertrug die schlimmste Folter, ehe es ihm gelang, sich zu befreien. Daher hat er die Narben im Gesicht. Niemals hätte er diese Stadt verraten. Er wäre für Bantoryn gestorben. Noch immer spürte Nando einen schmerzhaften Stich in der Magengegend, wenn Tolvin vor ihm ausspuckte, doch sein Zorn und seine Verzweiflung verschwammen mehr und mehr, je stärker er sich auf die Bewohner der Stadt einließ. Noch konnte er Bantoryns Zauber nicht benennen, aber er durchdrang seine Gedanken und seine Träume und vertrieb immer wieder die Stimme des Teufels aus ihnen.
    »Wir sind da«, raunte Kaya an seinem Ohr und krallte ihre Finger fester in Nandos Schulter. »Früher wurden hier Schlangen gezüchtet und verkauft. Eines Tages sind ein paar davon ausgebüxt und haben den einen oder anderen Nephilim umgebracht. Daraufhin wurden sie aus Bantoryn verbannt, jedenfalls in diesen Mengen. Früher gab es hier wirklich alles rund um diese Viecher, Schlangenhäute, Schlangenzähne, ihr Gift natürlich und sogar Schlangenaugen, die noch heute manche Hexe für unabdingbar hält bei gewissen Zaubertränken. Ich erinnere mich noch gut daran, wie dieses Viertel einmal aussah. Manche Nekromanten hielten sich Schlangen als Haustiere, sie krochen über die Straßen wie … Hunde ohne Beine, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Kaya schüttelte sich und machte ein angeekeltes Geräusch, das Nando zum Lachen brachte.
    »Du magst Schlangen wohl nicht besonders«, stellte er fest.
    Kaya zuckte mit den Schultern. »Nicht mögen ist zu viel gesagt. Ich lasse sie am Leben, solange sie sich mir nicht weiter nähern als … sagen wir … tausend Schritte. Beantwortet das deine Frage?« Sie schwieg kurz, ehe sie fortfuhr: »Eigentlich hat sich nichts verändert in diesem Viertel. Es ist noch ebenso düster und ungemütlich wie damals, bevor … « Sie stockte.
    »Bevor was?«, fragte Nando und begriff bei einem Blick in Kayas betretenes Gesicht, was sie gemeint hatte. »Auch hier hat also das Feuer gewütet, das mein Vorgänger über die Stadt gebracht hat.«
    »Man könnte sagen, dass er einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat«, erwiderte Kaya mit düsterer Miene. »Aber ich mag es nicht, wenn du ihn als deinen Vorgänger bezeichnest. Du bist du, und er war er, und es gibt keine Verbindung zwischen euch außer … «
    »… der Kraft des Teufels«, beendete Nando ihren Satz und stieß verächtlich die Luft aus. »Ist ja auch nur eine Kleinigkeit, schon klar.«
    Kaya warf ihm einen wütenden Blick zu. »Das hat niemand behauptet. Aber du allein bist dafür verantwortlich, was du mit dieser Kleinigkeit tust. Es gibt keine Vorbestimmung für dich.«
    Nando nickte und schwieg. Er ahnte, dass eine Diskussion mit Kaya an dieser Stelle zu nichts führte, und außerdem wäre ihm ohnehin nichts anderes übrig geblieben, als ihr zuzustimmen. Dennoch drückte die Vorstellung des einstigen Feuers auf seine Stimmung, und er bemühte sich, den Blick über die Gebäude schweifen zu lassen, um seine Gedanken zu zerstreuen.
    Doch Kaya hatte noch in einem weiteren Punkt recht: Das Schlangenviertel war nicht gerade behaglich. Nur hin und wieder flackerte eine Laterne in versagendem Licht, dunkle Hinterhöfe lagen zwischen den

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