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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Morpheus’, der ihn nicht drängte und in dessen Miene weder Betroffenheit noch Mitleid aufflammte, oder an dem Duft Bantoryns, der gerade in diesem Moment stärker wurde, als würde eine Schwade Mohnstaub durch das Labor ziehen. »Sie sind verbrannt«, sagte Nando kaum hörbar und schaute auf die Narben an seinem Arm wie auf die Bilder jener Nacht. »Ich habe sie schreien hören und eine Scheibe eingeschlagen, aber … Ich konnte sie nicht retten.«
    Morpheus sah ihn an, unverwandt und mit einer Eindringlichkeit, die Nando den Blick heben ließ. Ein Lächeln lag auf den Lippen des Senators, kaum merklich zwar, doch erstmals, seit Nando ihn kannte, ohne jede Spur von Sarkasmus. »Retten, ja?«, fragte er leise und legte den Kopf schief, als wäre Nando ein Kind, das gerade unsinnigerweise mit einer Blume gesprochen hatte. »Retten wovor, Nando? Vor den Flammen, den Schmerzen? Oder vor dem Tod?«
    Nando setzte zu einer Antwort an, doch etwas lag in Morpheus’ Blick, das die Worte in seinem Mund in Asche verwandelte und ein bitteres Gefühl auf seiner Zunge hinterließ.
    »Flammen und Schmerzen, ja«, sagte Morpheus und nickte langsam. »Beides ist es wert, dass man davor flieht oder gerettet wird. Aber der Tod … Ich habe nie verstanden, warum die Menschen ihn mit solcher Inbrunst fürchten, als wäre er ihr schlimmster Feind. Denn, um mit einem Philosophen unseres Volkes zu sprechen: Niemand kennt den Tod, und niemand weiß, ob er für den Menschen nicht das allergrößte Glück ist. Sokrates war ein kluger Mensch. Es gibt leider nicht viele von der Sorte.«
    Nando sah Morpheus an, sah auch das Lächeln, das sich tief in seine Wangen grub, und konnte nicht anders, als es zu erwidern. Etwas Seltsames haftete dem Senator an, etwas, das Nando nicht benennen konnte. Aber es verschaffte ihm ein Gefühl von Schwerelosigkeit inmitten seiner Trauer, und das hatte er noch nicht häufig erlebt. Morpheus presste sich kurz seine Atemmaske vor das Gesicht und nahm einen Zug, ehe er sich wieder über Nandos Arm beugte.
    »Durch den Unfall wurde also der Mittelarmnerv geschädigt«, fuhr er fort. »Ebenso wie einige andere Nerven, was zu einem Sensibilitätsverlust an den Fingern führt und zu einem Funktionsverlust vieler kleiner Handmuskeln. Ich könnte noch mehr erzählen, aber … « Er hob den Blick und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es reicht, wenn ich an dieser Stelle aufhöre mit medizinischen Erklärungen. Du wirst selbst am besten wissen, was dir fehlt.«
    Kaya seufzte inbrünstig. »Allerdings«, stellte sie fest und schob zum wiederholten Mal einen kleinen Roboter mit aufdringlich blinkenden Stielaugen von sich, der ihr immer wieder leise surrend näher kam.
    »Die Ärzte der Oberwelt konnten nicht viel für mich tun«, sagte Nando und zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, ob … «
    Morpheus lachte auf. »Ob ich dir helfen kann? Nun, das hängt ganz von dir ab.« Er rollte zu einem nahe gelegenen Schrank und nahm einen gläsernen Käfig von der Ablage, den er Nando entgegenhielt. »Sieh hin.«
    In dem Käfig lief eine kleine weiße Ratte zwischen allerlei Obst und Gemüse herum und betrachtete Nando neugierig. Gerade wollte er den Blick von ihr abwenden, als er ihr linkes Hinterbein bemerkte. Es war ein Bein aus Metall. Erschrocken fuhr er zusammen, doch Morpheus hob beschwichtigend die Hände.
    »Keine Sorge«, sagte er schnell. »Dein Arm ist, mit Ausnahme der Nerven, vollkommen in Ordnung. Eine Amputation ist nicht nötig, doch ich könnte dir helfen, ihn mit den Mitteln der Schattenwelt wieder vollkommen funktionsfähig zu machen – und mehr als das, wenn du magst.«
    Nando wechselte mit Kaya einen Blick, die ihn mit so weit aufgerissenen Augen anstarrte, dass sie aussah wie ein Koboldmaki oder einer der Schattengnome aus den Brak’ Az’ghur. Dann schaute er auf die Ratte in ihrem gläsernen Heim. »Ich soll einen Arm aus Metall bekommen?«, fragte er atemlos.
    Morpheus nickte kaum merklich. »Zumindest teilweise, ja. Das würde eine Behebung der Lähmung bedeuten, die Risiken sind aufgrund der reichhaltigen Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahrzehnten sammeln durfte, sehr gering. Ich würde dir dringend zu diesem Schritt raten, und das nicht nur, weil ich mich bereits intensiv damit beschäftigt habe. Du wirst gegen den Obersten Schergen des Teufels bestehen müssen und zuvor womöglich gegen den einen oder anderen Engel. Und du weißt, dass das mit einem Arm wie deinem nicht möglich sein

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