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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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rührte sich nicht mehr. Fassungslos starrte Nando auf den Gefallenen, dann fuhr er herum. Blaues Licht züngelte um Silas’ Schwert, doch sein Wall hielt den Angriffen nicht länger stand. Schon brachen drei Engel hinter ihm durch den Schild, hoben die Fäuste und zielten auf seinen Rücken. Mit einem Schrei riss Nando die Arme empor, verstärkte den Schild und ließ die Flammen hoch auflodern, dass die übrigen Engel zurückwichen. Dann stieß er die linke Faust vor und schleuderte mit letzter Kraft schwarze Flammen auf die drei Angreifer, doch er kam zu spät. Zwei von ihnen verbrannten auf der Stelle zu Asche, doch aus der verkohlenden Faust des Dritten schoss eine gleißende Lanze aus Licht. Nando schrie auf – und im selben Augenblick durchschlug die Lanze Silas’ Brust.
    Gleich darauf war Nando bei ihm, Silas fiel zu Boden, sein Körper war zu schwer, als dass Nando ihn halten konnte. Seine Schwingen breiteten sich unter ihm aus wie ein Flor aus Seide. Zitternd tasteten seine Hände nach der Wunde in seiner Brust, Blut quoll in Schüben daraus hervor, und seine Haut wurde so durchscheinend, dass Nando kaum atmen konnte. Er riss ein Stück Stoff von seinem Ärmel ab und presste es auf die Verletzung, doch selbst mit einem Heilungszauber konnte er die Blutung nicht stoppen. Verzweifelt hielt er Silas’ Kopf, fühlte die Kälte, die sich wie ein grausamer Feind über seine Glieder legte, und spürte den Tod, der in diesem Moment unaufhaltsam und mächtig in den versagenden Schutz aus Flammen trat.
    Nando kannte diese Kälte, er begann zu zittern, hilflos und stumm. Doch Silas fror nicht. Ruhig tastete er nach seinem Schwert, und als Nando es ihm in die Hand legen wollte, schüttelte er kaum merklich den Kopf. Da draußen , hörte Nando seine Stimme und spürte, wie Silas den Knauf des Schwertes in seine linke Hand drückte, gibt es wichtigere Dinge als Angst und Zweifel. Es sollte immer wichtigere Dinge geben als das. Tränen liefen über Nandos Gesicht, doch Silas sah ihn ruhig an. Du bist ein Nephilim, flüsterte er, und Nando konnte hören, dass ihm selbst diese Worte in Gedanken schwerfielen. Wärme stand in seinen Augen, ein letzter Rest in der Kälte, die ihm das Leben aus dem Leib zog, und ein Lächeln huschte über seine Lippen. Genau wie ich.
    Im selben Moment flammten die Zeichen unter seiner Haut auf, sie verfärbten sich schwarz wie die Flammen des Schildes, und mit einem lautlosen Zauber zerbrach der Wall in tausend Scherben. Wie in Zeitlupe sprengten sie auseinander und schlugen die ersten Reihen der Engel zurück, ehe der Schild endgültig zusammenbrach.
    Nando hörte Silas’ Worte in sich widerhallen, er wollte etwas erwidern, doch da brandete die Kälte um das flackernde Licht in Silas’ Augen auf und riss es mit sich. Das Lächeln erstarrte auf seinen Lippen, wächserne Blässe überzog seine Wangen, und als seine Augen brachen, war es Nando, als würde ihm das Herz aus der Brust gerissen, so heftig war der Schmerz, der ihn durchfuhr.
    Er sah nicht, wie die letzten Scherben des Schildes niederfielen, fühlte nicht die Angriffe der Engel, die ihn trafen, und auch nicht die Hände Drengurs, die ihn packten und auf Althos’ Rücken mit sich rissen. Er spürte nichts mehr als die Leere in seinem Inneren, hörte nur den haltlosen Schrei, der in seiner Kehle wider- und widerhallte, und fühlte noch einmal, wie etwas seine Wange streifte – der Flügel des Todes mit seinem Duft aus Nacht und Einsamkeit.

23
    Der Wind säuselte wie eine flüsternde Stimme durch das Mohnfeld. Nando war bis zu seinem Rand gegangen, bis zu dem Hang, der schroff abfiel und in die Ebene ohne Zeit mündete, diese trostlose Wüste aus steinernen Monumenten und silbernen Blumen wie aus Glas. Überall wuchsen sie, auf den Sarkophagen, die sich an den Seiten der schmalen Wege erhoben, den Statuen mit geneigten oder gebrochenen Flügeln oder den Grabsteinen, die schlicht und in dunklen Farben die Hügel bedeckten wie ein von einem Riesen aufgestelltes Dominospiel. So viele Nephilim waren als Bewohner Bantoryns gestorben, fern der Oberwelt, gefangen an einem Ort jenseits des Lichts, und die meisten von ihnen hatten keinen natürlichen Tod erlebt. Die Engel hatten sie getötet, hatten sie gejagt auf der Suche nach dem Teufelssohn, der nun mit seiner Geige in der Hand inmitten der wispernden Blumen stand und zu ihnen hinabsah wie auf eine schreckliche Erinnerung.
    Kaya schwieg in der Geige, sie hatte es Nando versprochen. Die

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