Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
Brief, in dem er darum bat, dem Unterricht vorerst fernbleiben zu dürfen. »Es liegt mir nicht besonders, um den heißen Brei herumzureden«, stellte Drengur fest, während er das Schriftstück wieder in seine Tasche steckte. »Antonio hat mir deinen Antrag gegeben mit der Bitte, mit dir über deinen Wunsch zu sprechen.«
    Nando spürte seinen Pulsschlag in den Fingerspitzen. »Wie hat er reagiert?«
    Drengur stieß verächtlich die Luft aus. »Antonio ist der Erste Vorsitzende der Akademie, er ist der Gründer dieser Stadt und einer der mächtigsten Engel. Glaubst du allen Ernstes, dass er mir gegenüber auch nur den Hauch einer Reaktion auf diesen Brief gezeigt hätte – und selbst wenn es so wäre, dass ich, sein Erster Berater und Stellvertreter, sie dir verraten würde?« Er schüttelte den Kopf. »Du hast den Antrag auf Freistellung vom Training nicht ohne Grund gestellt. Man sollte annehmen, dass du nicht in einer Position bist, in der du deine Prüfung aufschieben solltest. Warum also willst du das tun? Gibst du auf?«
    Der Dämon wandte den Blick, ruckartig und so schnell, dass Nando der Atem stockte. Unsicher hob er die Schultern, öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen, und schloss ihn gleich wieder. Dann fuhr er sich über die Augen und senkte den Blick.
    »Silas ist tot«, erwiderte er leise. »Ich kann nicht einfach weitermachen wie bisher.«
    Drengurs Blick bohrte sich in sein Fleisch, doch Nando sah ihn nicht an, er konnte es nicht. Eine Weile war es still. Drengur wandte sich ab, er schaute erneut über den Platz, und dann, als würden ihm die Worte schwerfallen, sagte er: »Silas war mein Novize, hast du das gewusst?«
    Nando schüttelte den Kopf.
    »Nach dem Tod seiner Mutter kam er zu mir.« Drengur nickte gedankenverloren und setzte sich neben Kaya auf eine so dicht benachbarte Steinplatte, dass sie empört zu ihm aufsah. »Er wollte unbedingt ein Ritter der Garde werden. Ich wusste, aus welchem Grund. Silas wollte sich verteidigen können gegen das Unvermeidliche – und wenn das nicht zu packen war, so wollte er wenigstens gegen die Engel kämpfen. Das kam natürlich nicht in Frage ohne Ausbildung, doch ich hätte ihn beinahe wieder fortgeschickt. Er war zu jung, einen Kopf kleiner als alle anderen Novizen und halb so breit, aber er hatte diesen Blick … Zornig zu Beginn, aber mit den Jahren konzentrierter, kühler – und klar. Ja, Silas hatte einen sehr klaren Blick auf alles. Er wusste genau, was er tat.«
    Nando wandte sich ab, als Drengur den Kopf hob und ihn direkt ansah. Er wusste, dass sein Lehrer recht hatte. Silas hatte für seine Ideale gekämpft. Und er war für sie gestorben.
    »Noemi hat die Wahrheit gesagt«, erwiderte Nando leise und erschrak im ersten Moment, da er merkte, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Doch dann spürte er, wie sich die Fessel um seine Brust etwas löste, dieser Reif, der ihm das Atmen schwer machte, und er sah Drengur an. »Ich trage die Schuld an seinem Tod.«
    Er wusste nicht genau, mit welcher Reaktion er gerechnet hatte, wusste nicht einmal, warum er Drengur das erzählte, ausgerechnet ihm, der ihn von Anfang an mit Härte behandelt und misstrauisch beäugt hatte. Und doch spürte er nun, da sie einander ansahen, dass es richtig war, mit Drengur zu sprechen. Der Dämon mochte ihn nicht besonders, er setzte kein Vertrauen in ihn, er würde nicht von ihm enttäuscht sein. Und so war er vielleicht der Einzige, mit dem Nando in dieser Situation wirklich reden konnte.
    »Du sprichst von Schuld, als würdest du etwas davon verstehen«, erwiderte Drengur und verschränkte die Arme vor der Brust, sodass er für einen Augenblick in derselben Pose dasaß wie Kaya. Entrüstet riss die Dschinniya die Arme hinunter, als sie es bemerkte, und verdrehte die Augen.
    Nando umfasste den Griff seiner Schaufel fester. »Ich bin der Sohn des Teufels«, erwiderte er nicht ohne Bitterkeit. »Nur meinetwegen jagen die Engel die Nephilim. Nur meinetwegen ist Silas getötet worden.«
    Da lachte Drengur laut auf. »Da meldet sich wohl das Menschenblut, das in deinen Adern fließt, was? Ich kann mir denken, was im Speisesaal passiert ist, und ich sage dir: Du nimmst dich viel zu wichtig. Noemi hat in Trauer und Wut gehandelt, noch dazu trägt sie Dämonenblut in den Adern und ist leicht zu leidenschaftlichem Tun verführbar. Ihre Worte solltest du in diesen Tagen nicht allzu ernst nehmen. Darüber hinaus werden die Nephilim seit Jahrhunderten von den Engeln

Weitere Kostenlose Bücher