Nephilim
zugenäht worden waren, und doch stierte die Kreatur zu ihnen herüber, den Kopf tief geneigt, und sog witternd die Luft ein. Er spürte den Atemzug der Hyäne auf seiner Haut, als stünde er direkt vor ihr, und in diesem Augenblick wusste er, dass dieses Tier die anderen Nephilim nur halbherzig bemerkte. Es konzentrierte sich auf Nando, jeder Atemzug trug ihm dessen Geruch zu. Nando wich zurück, es schien ihm, als saugte die Hyäne ihm das Leben aus den Gliedern, doch da riss das Tier den Kopf zurück und heulte. Der Klang zerriss die Stille über der Siedlung der Varja, die glimmenden Pflanzen verloren ihr Licht, und Gesteinsbrocken fielen von der Decke. Nando presste sich die Hände gegen die Ohren, noch niemals zuvor hatte er einen solchen Ton gehört. Es schien ihm, als würde er ihm das Innere aus dem Leib reißen.
Da glitt ein Schatten an ihm vorüber. Es war Noemi, die mit gezücktem Messer auf die Hyäne zusprang. Geschickt wich sie den fallenden Steinen aus, riss die Faust empor und ließ sie mit einem Schrei auf das Tier niederrasen. Grünes Blut schoss diesem aus der Flanke, als es im letzten Moment zurücksprang, und es traf Noemi an der Schulter. Sie schrie auf, zischend grub sich das Blut in ihr Fleisch, doch sie umfasste ihr Messer und warf es der Kreatur nach, die eilig davonlief. Knirschend schob sich die Waffe zwischen die Schulterblätter der Hyäne, und als sie jaulend zusammenbrach, klang mehrstimmiges Heulen aus der Ferne herüber.
»Was zum Henker … «, begann Riccardo, doch schon drang ein lautes Dröhnen durch die Siedlung – der Klang eines Engelshorns.
Nando wich das Blut aus dem Kopf, und er sah seine Empfindung gespiegelt in den Gesichtern der anderen.
»Er hat sie zu uns geführt!«, kreischte Paolo, der sich als Erster wieder fing, und stach mit dem Finger in Nandos Richtung. »Diese Hyäne war ein Blutjäger, ihr kennt die Geschichten, sie sind Sklaven der Engel und finden alles und jeden, wenn sie nur seinen Duft kennen! Seinetwegen werden wir alle sterben, wir … «
Riccardos Schlag vor die Brust kam so unerwartet, dass Paolo rückwärts taumelte und ihm jedes Wort in der Kehle stecken blieb.
»Ins Haus, sofort!«, zischte Noemi. Während zwei Hörner der Engel dem ersten Ruf Antwort gaben, eilten sie in die Wohnung und schlugen die Tür zu.
Instinktiv liefen sie bis zur hintersten Ecke, aber es gab keinen Fluchtweg, und die Klänge der Engelshörner wurden rasch lauter. Nando war mit rasendem Herzen in der Mitte des Raumes stehen geblieben. Die Engel. Sie kamen.
»Wir müssen hier weg!«, rief Ilja mit zitternder Stimme und sah Riccardo an, als würde sie durch ihren flehenden Blick eine Lösung aus ihm herauspressen können. »Sie werden uns fangen, sie werden uns foltern, um herauszufinden, wo Bantoryn liegt, und dann werden sie uns töten!«
Noemi presste eine Hand auf die Verletzung an ihrer Schulter und wirkte einen Heilungszauber.
»Noch sind sie nicht da. Wir … «, begann sie, doch Paolo ließ sie nicht aussprechen.
»Aber Ilja hat recht«, zischte er und stierte Nando an. »Liefern wir den da aus, werfen wir ihn auf die Straße! Er ist es doch, den sie wollen! Sie werden schon wieder gehen, wenn sie ihn haben, und dann können wir fliehen!«
Die anderen standen da wie erstarrt, doch Noemi beachtete ihn nicht. Rasch eilte sie zur Küche und begann, die Steine unterhalb des Herdes abzuklopfen. Ihre dumpfen Schläge drangen wie von ferne an Nandos Ohr, er spürte die Blicke der anderen auf seiner Haut, als würden sie mit Lanzen nach ihm stechen.
»Er wird schreien«, fuhr Paolo fort. »Betäuben wir ihn, dann kann er ihnen nicht verraten, wo wir sind. Werfen wir ihn hinaus, bevor sie … «
»Hört zu!«
Noemi hatte nicht laut gesprochen, doch ihre Stimme war wie ein Peitschenhieb über Paolos Wange gezischt und ließ ihn zurückfahren. Eilig begann sie, die Ziegelsteine unter dem Herd beiseitezuräumen. »Die Varja wurden über lange Zeit von den Engeln verfolgt«, sagte sie, ohne die Gruppe aus den Augen zu lassen. »Häufig wurde die Siedlung geplündert und ausgebrannt mit dem Ziel, die Varja zu vertreiben. Deshalb gibt es eine Menge Geheimwege, die aus der Stadt hinausführen und die einzelnen Gebäude miteinander verbinden. Niemand kennt sie, denn die Varja hüten die Geheimnisse, die sie selbst erschaffen haben. Aber ich trage ihr Blut in mir – ihre Pfade werden zu mir sprechen.«
Riccardo nickte entschlossen. »Ich werde die Steine mit einem
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