Nephilim
Wohnungen zu seiner Linken das Poltern von Möbeln hörte. Einer der Engel suchte nach den Novizen, doch er würde sie nicht finden.
»Du warst nicht allein hier unten«, fuhr Avartos fort. »Das wissen wir. Und du weißt, dass wir seit langer Zeit nach denjenigen suchen, die unsere Existenz gefährden, da jederzeit ein neuer Spross deinesgleichen aus ihrer Mitte erwachsen kann. Wir jagen die Nephilim, und du wirst uns zu ihnen führen. Tu es, Teufelssohn – und du wirst frei sein. Weigere dich – und dich erwartet der Tod.«
Avartos neigte den Kopf wie im Forum Romanum, und Nando fühlte sein Herz in der Brust rasen, als ihm bewusst wurde, dass der Engel die Wahrheit sagte. Er konnte sich befreien, indem er die anderen verriet, und er würde sterben, wenn er sich weigerte. Wieder saß er neben Silas, hielt dessen Kopf, während er starb, und fühlte die Kälte des Todes auf seiner Stirn.
»Ich weiß, wer stets danach trachtete, die Menschen zu verführen«, flüsterte er. »Er war ein Engel – wie Ihr!«
Nando sah den Zorn in Avartos’ Augen aufflackern, und ehe der Engel zu einer Entgegnung ansetzen konnte, packte er sein Schwert mit der linken Hand, schoss schwarz flammende Blitze aus seiner metallenen Faust und traf Avartos mit seinem Zauber vor die Brust. Der Engel wurde zurückgeschleudert, krachend landete er auf dem Rücken.
Nando stand da wie erstarrt. Er sammelte einen Abwehrzauber in seiner Faust und legte mehrere Schutzwälle um sich, doch da hob Avartos den Blick. Langsam kam er auf die Beine, den Kopf tief geneigt. Einzelne Strähnen hingen ihm ins Gesicht, und keine Maske der Welt konnte die Wut verbergen, die nun in ihm aufloderte. Lautlos wurden die Augen des Engels gleißend hell. Nando hörte den Zauber, den Avartos brüllte, und sah im nächsten Moment eine Wand aus blauen Flammen auf sich zurasen. Mit einem Schrei warf er sich zu Boden, der Zauber verbrannte seine Schutzwälle zu Asche und wurde nur durch seinen Abwehrzauber im letzten Augenblick abgelenkt, ehe er in eine nahe stehende Hauswand einschlug.
Nando sprang auf die Füße, atemlos schoss er mehrere Lichtlanzen auf Avartos, doch der parierte sie mit seinem Schwert wie trudelnde Mücken, streckte die Faust aus und schlug einen Donnerzauber direkt vor Nandos Füße, der ihn zu Fall brachte. Gleich darauf glitt ein Messer durch das Feuer, Nando wich keuchend aus, doch die Waffe durchbohrte seinen rechten Arm und drang knirschend in das Pflaster der Straße ein. Er schrie auf, der Schmerz pulste in machtvollen Wellen durch seinen Körper. Es gelang ihm noch, einen Schutzwall vor dem Eiswirbel zu errichten, den Avartos auf ihn zurasen ließ, doch der Strudel zerschmetterte ihn wie zu dünnes Glas. Nando fühlte einen heftigen Schlag am Kopf, und alles wurde schwarz. Er spürte die Schnitte des Eiszaubers wie unter Betäubung in seinem Fleisch. Seine Magie rann aus jeder Wunde, bald würde er keine Luft mehr bekommen, schon jetzt schmerzte ihn jeder Atemzug, als würde er unter einer Tonnenlast begraben liegen.
Du bist mein Sohn.
Verzweifelt versuchte Nando, sich selbst ins Bewusstsein zurückzuschicken, doch es gelang ihm nicht. Stattdessen sah er die Umrisse des Teufels. Schattenhaft kniete er neben ihm, die goldenen Locken erhellten das schöne, ebenmäßige Gesicht, und als Luzifer den Blick hob und ihn ansah, war jeder Schmerz wie fortgewischt.
Du kannst dich mir nicht widersetzen, fuhr der Teufel mit ruhiger, sanfter Stimme fort. Und wenn du es doch tust, wird es nur zu deinem Schaden sein. Denn ich durchdringe dich. Am Ende wirst du mir gehören, und du weißt, dass es so ist. Nur dein Menschentum fürchtet sich vor mir – und das ist schwach.
Luzifer wandte sich ab, und die Schmerzen kehrten zurück, als wäre ein Schutz von Nando genommen worden. Er hörte seinen eigenen Schrei, aber er klang dumpf und wie aus weiter Ferne, obgleich er ihm den Atem raubte und ihn vollkommen erschöpfte. Der Blick des Teufels umfing ihn erneut, doch er konnte ihm nicht standhalten. Von allen Seiten drängte die Dunkelheit sich um ihn, er spürte eine Kälte, die er bereits kannte, und er begann zu zittern, als sich ihr Name durch seine Erinnerung grub.
Spürst du die Impulse in deiner Brust, die dumpfen Schläge in deinen Schläfen? Das ist dein Herz. Du bist sterblich, mein Sohn. Und sterben wirst du, wenn du jenem Engel nicht verbietest, dich zu töten. Du fürchtest den Tod, ich kann es fühlen, fürchtest ihn so sehr, dass du kaum
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