Nephilim
mein Herr wird euch befreien! Euch – alle!«
Grollend stob das letzte Wort über die Köpfe der Zuhörer hinweg, riss an ihren Haaren und brach dann in sich zusammen wie ein plötzlich endender Sturm.
Salados griff sich an die Kehle. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, er hustete. Morpheus bewegte sich auf das Podest zu, doch sofort wurde er von mehreren Rittern gepackt und zurück in die Menge geschoben. Nando hörte seine Flüche und die Furcht, die in seiner Stimme lag. Doch stärker noch als all das vernahm er die Stille. Sie strömte aus den Poren der Nephilim, die ihn umstanden, und glitt mit eiskalten Fingern über sein Gesicht, als sie ihn anschauten. Er sah die Sehnsucht nach Freiheit in ihren Augen, sah auch die keimende Furcht vor den Folgen, die auf sie zukommen würden, wenn sie dem Teufel nicht gehorchen würden. Keiner von ihnen rührte sich, es war, als würden sie auf einem schmalen Seil über einem gewaltigen Abgrund stehen und in Reglosigkeit verharren müssen, um nicht abzustürzen.
Da drang ein Keuchen über den Platz. Es kam aus Salados’ Kehle, der Senator lachte heiser, doch erneut war es nicht seine Stimme, die über seine Lippen kroch. Nando stockte der Atem, als er sie hörte, diese Stimme aus Kälte und Wüstenglut. Die Nephilim um ihn her schrien auf.
Salados streckte die Hand mit dem zerrissenen Pergament empor, Nando meinte, einen goldenen Glanz in seinen Augen zu erkennen. »Habt ihr vergessen«, glitt die Stimme des Teufels über seine Lippen und fuhr in die Menge wie eine Schar unsichtbarer Schlangen, »dass ich schon einmal bei euch gewesen bin? Habt ihr vergessen, was damals geschah – habt ihr vergessen, dass ich es bin, der in ihm steckt?«
Salados starrte in die Menge. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Hand mit dem Pergament zitterte heftig. Man konnte sehen, dass er gegen die Macht aufbegehrte, die sich seines Körpers bediente, und für einen Moment entwich sein eigener Schrei seiner Kehle, markerschütternd und schrecklich. Gleich darauf krümmte er sich zusammen, und gerade als Nando glaubte, er hätte den Teufel und Bhrorok aus seinem Leib verbannt, verzerrte sich sein Schrei zu einem Lachen, so grausam und kalt, dass etliche Nephilim zusammenfuhren.
»Ihr habt es vergessen«, zischte der Teufel. »So werde ich euch daran erinnern!«
Da riss Salados die Arme in die Luft, das Pergament flog aus seiner Hand und zerbarst über den Köpfen der Nephilim in tausend flammende Funken. In rasender Geschwindigkeit formten sie sich zu einer Gestalt, einem jungen Nephilim mit wehenden Haaren und hellen Augen.
Nando keuchte, als er sich selbst erkannte. Als Trugbild der Flammen sprang er über die Köpfe der anderen hinweg, doch sein Gesicht hatte sich zu einer Fratze verzerrt, seine Augen brannten, und er lachte wie wahnsinnig, während er Feuerbälle zwischen seinen Händen drehte. Die Gesichter der Nephilim waren starr vor Entsetzen, doch gleich darauf schlug der flammende Nando seine Feuerzauber auf sie nieder, erschuf weitere Gestalten in der Luft, brennende Nephilim, die vor ihm flohen, schreiende Kinder, die in seinen Flammen zusammenbrachen, und er riss sein Schwert empor und schleuderte Peitschen aus Licht über die Köpfe der Zuschauer. Schreiend wichen sie zurück, stürzten übereinander, als die Funken der Zauber auf sie niederfielen, und merkten nicht, dass das Feuer der Illusion sie nicht verbrennen konnte. Panik lag in ihren Gesichtern, und als der Nando aus Flammen den Kopf zurücklehnte und lachte, brach eine andere Gestalt aus seiner Brust und verzehrte ihn.
Hochaufgerichtet erhob sich der Teufel über den Köpfen der Nephilim, die Schwingen in schwarzem Feuer erblühend, die Haare lodernd wie brennende Fackeln, und die goldenen Augen mit grausamer Kälte auf die gerichtet, die schreckensstarr zu ihm aufsahen.
Ich bin es , hallte seine Stimme über den Platz, und er breitete die Arme aus und schwebte hoch hinauf zu den Sternen aus Feuer und Eis. Ich bin der, den ihr fürchten solltet, und nun bin ich zurück – und stehe mitten unter euch!
Damit schlug er die Hände zusammen, stürzte kopfüber zu den Nephilim herab und verwandelte sich noch im Fallen in einen gewaltigen Drachen, dessen Schlund aufriss und die Schreie der Verbannten über sie ergoss. Der Drache zerbrach über ihren Köpfen, doch sie schrien in Panik auf, und durch ihre Schreie hörte Nando plötzlich Worte, eine düstere Losung, die ihm den Atem stocken ließ.
»Liefern
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