Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
sich nicht. Regungslos stand er mit erhobener Faust da, ließ ihre Schreie durch sich hindurchgleiten, ließ sich emporheben von ihrer Todesfurcht, von Panik und Chaos, das er geschaffen hatte, und als der letzte Schrei verklungen war, schloss er die Augen und sog die knisternde Stille in sich auf, die den Markt der Zwölf erfüllte.
    Jemand trat auf ihn zu, er hörte es an dem Bersten der Schädel unter den Tritten. Langsam ließ er die Faust sinken und öffnete die Augen. Er stand auf einem Feld aus Asche, und vor ihm, die Arme auf dem Rücken verschränkt, stand der Teufel. Ascheflocken verfingen sich in seinem goldenen Haar, ein seltsamer Sturm kam auf und zog peitschend über die verbrannten Körper der Nephilim. Luzifer lächelte nicht, Nando schien es, als hätte er sein Gesicht noch nie zuvor ohne diese Maske gesehen, und zum ersten Mal empfand er keine Furcht, keinen Abscheu, keinen Zorn. Er sah dem Teufel in die Augen, sie waren golden. Nando sah auch die tanzende Finsternis darin, die jederzeit das Licht durchbrechen konnte, und er sah sich selbst, wie er reglos dastand inmitten der Leichen jener, die er getötet hatte. Kurz schien es, als sähe er ein Spiegelbild des Teufels, doch auch dies erschreckte ihn nicht.
    Nun , sagte Luzifer und betrachtete ihn prüfend. Fühlst du dich besser? Besser als unter fallenden Steinen in den Schatten der Welt, die dich erschlagen sollen, besser als am Boden zu ihren Füßen?
    Nando ließ den Blick über das Aschefeld gleiten, noch einmal wallte der Zorn in ihm auf, doch er beruhigte sich schnell inmitten der Stille, die ihn nun umgab. Er sah den Teufel an und nickte.
    Luzifer trat einen Schritt auf ihn zu, und Nando schaute in das Gesicht eines Engels mit weichem goldenen Haar und zugleich in das Gesicht des Höllenfürsten mit aller Grausamkeit der Welt in den Augen. Es war ein Zwiespalt, ein Abgrund und ein Schrei, der in dem Teufel widerhallte und der etwas in Nando Antwort gab – etwas, das Befriedigung fand inmitten der Leichen seiner Feinde.
    Du träumst , sagte Luzifer zu ihm in Gedanken. In Wahrheit liegst du noch immer im Kerker jener, die dich töten wollen. Sie werden dich ausliefern . Sie werden dich an meinen Diener übergeben, und wenn du dich weiterhin weigerst, mir zu folgen, dann, mein Sohn … dann wird er dich töten. Aber es muss nicht so kommen.
    Nando erwiderte seinen Blick regungslos. Du wirst die Welt der Menschen vernichten , erwiderte er leise. Und du wirst deine Pläne für niemanden ändern, nicht einmal für deinen Sohn.
    Der Teufel lächelte ein wenig, doch es war ein Lächeln ohne Spott. Das ist wahr , entgegnete er. Jeder Mensch wird die Möglichkeit erhalten, mir zu folgen, jeder von ihnen wird die Wahl haben – wie du. Wenn sie diese Gelegenheit nicht nutzen, werden sie die Folgen dieser Entscheidung tragen. Sie werden sich mir unterwerfen – oder sie werden sterben, ja, das ist die Wahrheit. Doch was interessieren dich diese Menschen? Jene Menschen, die nichts von all dem begreifen, was du bist? Jene Menschen, die nichts ahnen von der Schattenwelt, und wenn sie es täten – was denkst du, was sie damit tun würden? Sie würden versuchen, sie zu vernichten, wie alles, was sie nicht verstehen. Diese Menschen sind es nicht wert, dass du deine Zeit mit ihnen verschwendest. Du solltest aufhören, nach Gut und Böse zu fragen. Was sollten Begriffe wie diese einem Geschöpf wie dir bedeuten? Er hielt inne, forschend glitt sein Blick über Nandos Gesicht. Gemeinsam könnten wir über die Welt der Menschen herrschen. Du könntest sie geraderücken , du könntest eine freie Welt errichten. Du hast eine Ahnung davon bekommen, was das bedeutet, nicht wahr? Frei zu sein – alles tun zu können. Wenn du mir folgst, wirst du keine Grenzen mehr kennen. Denn in meiner Welt gibt es nur ein Gesetz: Tu, was du willst!
    Mit diesen Worten hob der Teufel seine linke Hand. Ohne dass ein Zauber über seine Lippen gekommen wäre, lief ein tiefer Schnitt über seine Handfläche, als würde er von einem unsichtbaren Messer gezogen. Das Blut Luzifers war rot wie das eines Menschen. Schweigend hielt er Nando seine Hand hin.
    Was hält dich zurück? , fragte er, nachdem Nando reglos stehen blieb, und dieser wandte den Blick ab.
    Er wusste es nicht. Noch vor Kurzem hätte er dem Teufel vor die Füße gespuckt, hätte seinen Worten unter keinen Umständen zugehört. Doch nun war alles anders. Noch immer pochte die Dunkelheit hinter seiner Stirn, die er empfunden

Weitere Kostenlose Bücher