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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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gesehen, ihr alle habt die Botschaft des Dämons gehört, der einen aus unserer Mitte fordert und uns dafür die Freiheit unter der Herrschaft seines Meisters verspricht. Morgen um Mitternacht endet sein Angebot – und wir sind hier, um darüber zu entscheiden, ob wir es annehmen sollen oder nicht.« Er hielt kurz inne. »Da ich mich als Nandos Mentor mit dem Vorwurf der Befangenheit konfrontiert sehe, übergebe ich den Vorsitz dieser Sitzung an meinen Stellvertreter.«
    Überrascht hob Nando die Brauen. Er wäre jede Wette eingegangen, dass in erster Linie Salados einen Antrag wegen Befangenheit gestellt hatte – vermutlich gleich nachdem er Nando den Bannzauber in dreifach höherer Stärke als notwendig auf die Stirn gelegt hatte. Antonio nahm Platz. Seit ihrer ersten Begegnung hatte Nando ihn nie in einem Moment der Schwäche erlebt, auch jetzt wirkte der Engel erhaben und ruhig wie ein Wesen von großer innerer Kraft – und doch bemerkte Nando die Schatten, die sein Gesicht herber wirken ließen, als es war, die Furchen in seiner Stirn und den angespannten Ausdruck auf seinen Lippen, der sein Antlitz vollends in das eines Kriegers verwandelte – eines Engels, der jede Regung so tief in sich selbst verbarg, dass seine Züge wirkten wie aus Eis erschaffen. Nando dachte daran, dass er einmal den Gedanken gehabt hatte, dass alle Engel nichts als Abgründe seien. In diesem Augenblick, das fühlte er, schaute Antonio auf etwas, das diesen Abgrund erhellen konnte, und auch wenn Nando nicht wusste, was es war, sah er doch, dass sein Mentor sich mit aller Kraft daran festhielt.
    Drengur betrat das Podest und trat in die Mitte, um einem hektisch gestikulierenden Senator mit flachsblondem langen Haar das Wort zu erteilen.
    »Ich verstehe nicht, warum wir hier überhaupt zusammenkommen müssen!«, rief er und schüttelte den Kopf, als hätte er diese Worte in den vergangenen Stunden wieder und wieder ausgesprochen. »Wir alle wissen, wen dieser Dämon namens Bhrorok mit dem Blut der Throne beschwören wird, und wir wissen auch, dass er den Teufelssohn auf diese Weise sowieso findet, ganz gleich, wo dieser sich versteckt! Warum sollen wir dann nicht davon profitieren? Wieso müssen wir lang und breit darüber diskutieren, ob wir ihn ausliefern? Wir … «
    Ehe er weitersprechen konnte, schnitt Drengur ihm das Wort ab. »Weil unser Leben hier unten auf Gesetzen basiert und nicht auf Willkür und Ignoranz«, erwiderte er ungerührt und warf dem Redner einen so abschätzigen Blick zu, dass dieser die Luft einsog. »Darüber hinaus ist Nando durch meine Schule gegangen, und wenn ich eines genau weiß, dann dies: Nando ist Bhrorok und jedem seiner Schergen gewachsen! Er hat keinen Grund, vor seinen Feinden davonzulaufen! Er kann sich ihnen entgegenstellen und obsiegen!«
    Er schaute in die Runde, und für einen Moment erbat niemand mehr das Wort. Dann hob ein untersetzter Nephilim mit mehreren Ohrringen aus Stahl die Hand. Nando kannte ihn, sein Name war Krayfon, ein Wirt aus dem Flammenviertel, der ihn stets mit abfälligen Blicken gemustert hatte.
    »Ich habe es satt, Nephilim durch Engelshand sterben zu sehen«, sagte Krayfon düster. »Sie sterben zu sehen für den Sohn des Teufels. Es schert mich nicht, ob er diesen Dämon namens Bhrorok bezwingt oder nicht. Es schert mich auch nicht, ob er seine Prüfung besteht. Mich interessiert die Zukunft Bantoryns, die Zukunft meines Volkes, und ich sehe, dass wir keine Zukunft haben werden, wenn wir sie uns nicht nehmen!«
    »Ja!«, rief ein anderer, fing sich einen tadelnden Blick Drengurs ein, da er ohne Erlaubnis das Wort ergriffen hatte, und fuhr trotzdem fort: »Liefern wir ihn an seinen Vater aus, und unsere Probleme werden gelöst sein! So könnten wir Freiheit erlangen nach all der Zeit in den Schatten!«
    Da erhob sich ein weiterer Senator. Ayus war sein Name, und Nando kannte ihn als bedachten Nephilim, der ihm seit seiner Aufnahme in die Stadt mit zurückhaltender Freundlichkeit begegnet war. »Habt ihr vergessen, wie sich das anfühlt?«, fragte Ayus, und etwas lag in seiner Stimme, das Nando einen Schauer über den Rücken schickte. Wovon auch immer dieser Nephilim sprechen wollte, er selbst hatte darum gekämpft, es in seinen Gedanken zu bewahren, das spürte er. »Habt ihr vergessen, wie es sich anfühlt, einen menschenleeren Platz in Rom zu betreten, am helllichten Tag, das Gesicht der Sonne zugewandt und ohne Furcht, im nächsten Augenblick das Schwert ziehen und

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