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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Schattenwelt, die seit jeher an diesem Ort ihren Anfang genommen hat. Jeder Ritter Bantoryns hat einst dort gestanden, wo ihr euch nun befindet, und jeder von ihnen hat die Aufregung gefühlt, die Anspannung und möglicherweise auch die Furcht angesichts dessen, was im Nebel der Ovo auf ihn oder sie warten mochte. Was das sein mag, weiß niemand genau außer jenen, die den Nebel erzeugen – jenen Nebel, der unsere Existenz vor dem Abgrund bewahrt, in den die Mächte des Lichts sie stürzen wollen.«
    Wie gebannt schaute Nando in die weißen Schleier. Kurz schienen sich Gestalten daraus zu bilden, geisterhafte Geschöpfe, die miteinander tanzten und wachsame Blicke zu den Novizen hinüberwarfen, ehe sie wieder im Nebel verschwanden. Tu’voy Ovo.
    »Ihr alle kennt eure Aufgabe«, fuhr Antonio fort und brachte das Raunen zum Verstummen, das die Schemen heraufbeschworen hatten. »Sie klingt einfach und ist doch alles andere als dies: Fangt einen Ovo, der euch auswählt. Fangt ihn, ohne ihn zu verwunden, bedenkt, dass bereits eine Berührung dieses Wesens euch töten kann. Stellt es mit all den Fähigkeiten, die ihr in Bantoryn erlernt habt, und wehrt alles ab, was euch daran hindern mag. Vergesst nicht, dass die Engel an den Rändern des Nebels auf euch warten werden, dass sie darauf lauern, euch zu fangen, und seid euch dieser Gefahr stets bewusst. Gibt es jemanden, der sich dieser Prüfung nicht gewachsen sieht?«
    Niemand meldete sich, und Antonio nickte langsam. Wortlos bedeutete er den Novizen vorzutreten und schwenkte über jedem Einzelnen seinen Säbel in der Luft, woraufhin rote Funken auf den Prüfling niederfielen. Nando hörte sie knistern, als sie auf sein Haar sanken, und er spürte die gelassene Kühle, die augenblicklich durch seinen Körper zog. Als der letzte Novize die Weihe erhalten hatte, ließ Antonio seine Waffe sinken und schaute jedem für einen Moment in die Augen.
    »So seid ihr nun bereit«, sagte er feierlich. »Erfüllt eure Aufgabe, stellt euch der Prüfung. Und vergesst nicht … « Er hielt inne, als er Nandos Blick traf. »Seid nie zu sicher, Jäger oder Gejagter zu sein in diesem Spiel.«
    Mit diesen Worten trat er zurück und gab den Weg in den Nebel frei. Nando stand da wie gelähmt. Er sah zu, wie die ersten Novizen vom Nebel verschluckt wurden, und er spürte die Kälte des Windes auf seiner Haut. Er wandte sich zu den anderen um, fing einen ermutigenden Blick von Riccardo auf und ein Lächeln von Ilja. Dann holte er tief Atem, fixierte das undurchdringliche Weiß und tat einen Schritt hinein.
    Augenblicklich war es totenstill um ihn herum. Er griff nach seinem Schwert und umfasste die Schlinge in seiner Hand fester. Er hörte seinen eigenen Atem, seinen Herzschlag, und als er einen Schritt vortrat, fuhr er zusammen, so laut erschien ihm jede seiner Bewegungen. Um ihn herum jedoch lauerte die Stille, und Nando fühlte, dass ihn etwas beobachtete, das sich in den Schleiern verbarg und ihm nachkroch, kaum dass er seinen Weg fortsetzte. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, die Nebelschwaden mit seinem Blick zu durchdringen, doch er konnte nur wenige Armlängen weit sehen, und noch während er gegen den Dunst anstarrte, begann der Boden zu zittern. Sofort blieb er stehen, jeder Muskel seines Körpers war angespannt. Er sammelte einen Flammenzauber für den Fall, dass er sich verteidigen musste, und ergriff mit der anderen Hand sein Schwert. Regungslos stand er da. Er fühlte die Kälte, die sich näherte, und als ihm eisiger Atem in den Nacken blies, konnte er nur im letzten Moment einen Schrei unterdrücken.
    Er fuhr herum und sah, dass ein Ovo durch den Nebel auf ihn zutrat. Die Schleier glitten vor ihm zurück, als würden sich Tücher aus Geisterhaar über seinen Körper ziehen, doch Nando bemerkte es kaum. Vor ihm stand der Herrscher der Ovo und Gebieter über die Ströme der Nacht und die Hügel des Zorns. Olvryon betrachtete ihn schweigend und wie erstarrt, und Nando erwiderte den Blick in diese Augen, die nichts waren als Nacht und Sterne. Die Erkenntnis flutete ihn wie eisiges Wasser: Olvryon hat mich ausgesucht. Ihn werde ich jagen und stellen müssen, wenn ich diese Prüfung bestehen will. Doch noch ehe Nando die Hand mit der Schlinge heben konnte, schnaubte Olvryon – es war ein Laut tiefster Verachtung – , riss den Kopf herum und tauchte im Nebel unter.
    Nando stieß einen Fluch aus. Was war er, ein kleines Kind, das noch nie etwas von der Macht eines Ovo gehört

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