Nephilim

verstärkt. Er ließ Nando zusammenfahren, doch gleich darauf hob dieser den Blick und schaute direkt in das Gesicht einer steinernen Najade. Nebel und Schatten glitten auf sie zu, züngelnd wie Schlangenleiber strömten sie in ihren Mund, und kaum dass sie in sie eindrangen, verwandelte sich der steinerne Körper der Najade in einen beweglichen Leib. Ihre Haut schimmerte, als wäre sie von tausend zarten Schuppen überzogen, ein Fangnetz bedeckte ihre Glieder nur flüchtig, und ihr Haar umspielte ihre Schultern, als würde es von den Wellen des Meeres bewegt. Langsam veränderten sich auch ihre Augen. Sie wurden zu zwei schwarzen Perlen, und kaum dass Nando in diese Finsternis blickte, fühlte er sich von eisigen Klauen gepackt. Irgendwo hatte er eine solche Dunkelheit schon einmal gesehen. Kälte wallte in ihm auf, die Erinnerung an eine Finsternis, die ihn einst mit eherner Faust gepackt und nur im letzten Augenblick wieder entlassen hatte, doch er konnte das Bild nicht festhalten, es entglitt ihm, ehe er diesen Schrecken zuordnen konnte. Denn in in diesem Moment wandte die Najade den Blick und sah ihn direkt an.
    Erschrocken wich er zurück, während sie mit den Beinen über den Leib ihres Reihers glitt, der wie alle anderen Statuen des Brunnens langsam zum Leben erwachte. Auch ihre Augen wurden schwarz, und sie alle wandten Nando ihren Blick zu, abrupt und wie auf einen lautlosen, tödlichen Befehl hin. Die Najaden duckten sich wie zum Sprung bereit, sie lächelten verführerisch und grausam zugleich, und als Nando aus dem Becken stolperte, streckten sie die Arme nach ihm aus und begannen zu singen.
    Ihre Stimmen wühlten den Nebel auf, sie klangen wie die Gesänge der Ovo auf dem Grund eines Ozeans. Schnell legte Nando einen Abwehrzauber über sich, um sich vor den Lockrufen der Najaden zu schützen. Er wandte sich suchend nach Olvryon um und sah gerade noch, wie der Ovo mit einem Satz im Nebel verschwand. Nando wollte ihm nacheilen, doch da entwand sich der riesige Fisch, den die Statue eines Mannes in der Mitte des Brunnens gepackt hielt, und schoss auf ihn zu. Nando stieß die Faust vor, ein funkensprühender Flammenzauber traf den Fisch und katapultierte ihn ein ganzes Stück weit über den Platz, ehe er reglos liegen blieb. Doch gleich darauf schwangen sich die Najaden auf ihre Meeresungeheuer und jagten durch den Nebel wie durch Wasser auf Nando zu.
    Er wirkte einen Eiszauber, dessen Splitter zwei Najaden verwundeten, und rannte die Via Vittorio Emanuele Orlando hinauf. Hinter sich hörte er die zornigen Schreie seiner Verfolger und wich den Tentakeln aus, die plötzlich aus dem Nebel glitten und nach ihm griffen. Er durfte sich nicht zu weit von Olvryons Fährte entfernen, um den Ovo nicht zu verlieren, doch gerade jagte ihm eine Najade auf einem gewaltigen Fisch nach und schoss Speere aus Eis hinter ihm her. Atemlos drückte er sich in eine Häusernische und warf einen funkensprühenden Feuerball hinter sich. Er sah noch, wie die Najade den Mund zu einem Schrei verzog und leblos von ihrem Reittier glitt, doch hinter ihr stürmten die anderen Verfolger heran. Nando wich einem Fangnetz mit glühenden Streben aus, das eine Najade sich vom Leib gerissen hatte, und eilte die Via Barberini hinunter. Leise murmelte er den Zauber, breitete seine Schwingen aus und erhob sich in die Luft. Dann drehte er sich auf den Rücken und raste die Straße hinab, ohne die Najaden aus den Augen zu verlieren. Mit gestreckten Fäusten, aus denen unentwegt Speere und Bannzauber flogen, jagten sie ihm nach. In rasanten Manövern wich er den Geschossen aus und schleuderte einen Pfeilhagel nach ihnen, der sie von ihren Ungeheuern riss und im Nebel versinken ließ.
    Nur eine einzige Najade war noch übrig. Außer sich verfolgte sie Nando auf einem Hippokampos. Ihr langes Haar, das Nebel und Schatten in weiche Tücher verwandelt hatten, flatterte hinter ihr im Wind, ihre Augen loderten in schwarzem Feuer und entfachten jene Dunkelheit, die Nando bekannt vorkam. In der Faust der Najade erstand ein Dreizack aus wirbelndem Dunst. Er zerfetzte den Nebel, rasend schnell eilte er auf Nando zu, der ihm immer wieder auswich. Im Zickzack ging es dahin, doch die Waffe holte rasch auf. Da warf Nando sich herum, hielt auf den Tritonenbrunnen zu und schoss im letzten Augenblick direkt vor dem Monument senkrecht in die Höhe. Krachend schlug der Dreizack in die Flanke des steinernen Tritons ein, Nando landete schwer atmend auf dem Asphalt. Die