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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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hatte und es anstaunte, anstatt es zu fangen? Ärgerlich sandte er einen Fährtenzauber aus und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass Olvryons Spur sich wie ein zartes Band durch den Nebel zog. Sein Zauber legte sich auf die Fährte und brachte sie kaum merklich zum Schimmern. Gerade wollte er der Spur folgen, als ein plötzlicher Windzug über seine Wangen strich, boshaft und wispernd. Er hielt inne, kurz meinte er, ein Lauern zu empfinden, das über den Palatin hinwegzog, ein Wittern und Grollen aus der Tiefe. Er setzte sich in Bewegung und folgte Olvryons Fährte, doch als er den Abhang des Hügels erreicht hatte und seine Schwingen ausbreiten wollte, glitt ein Schatten an ihm vorüber. Erschrocken fuhr er herum, denn er hatte die Kälte gespürt, die von dem fremden Körper ausgegangen war. Rasch spannte er die Flügel und verließ den Palatin. Wer oder was auch immer ihn verfolgte – er durfte keinen unnötigen Kampf riskieren. Er musste Olvryon finden. Er musste den Ovo fangen, um die Prüfung zu bestehen.
    Lautlos landete er in einer dunklen Gasse. Olvryons Spur führte ihn wie ein Band aus schwach glimmenden Kristallen weiter, doch der Fährtenzauber verlor bereits an Kraft, und als Nando versuchte, ihn zu erneuern, zerstob seine Magie wie zerrissenes Papier. Er seufzte leise. Olvryon hatte seine Spur geschützt. Er musste sich beeilen. Rasch erhob er sich wieder in die Luft. Vereinzelt begegneten ihm Menschen, sie liefen über die Straßen wie Schlafende, und in der Tat wirkte der Nebel der Ovo auf sie wie ein Traum, der sie gefangen hielt. Mit verklärtem Lächeln schauten sie Nando an, den Blick glasig verhangen, und wunderten sich nicht darüber, dass er dicht über der Erde dahinflog. Unter gewöhnlichen Umständen hätte er die Menschen betrachtet, hätte sich an der Sanftheit, die auf einmal in ihren Gesichtern lag, erfreut, und sie vielleicht mit einem kleinen Funkenzauber zum Lachen gebracht. Aber nun hatte er dafür keinen Sinn, und das nicht nur, weil er sich mitten in seiner Prüfung zur nächsten Stufe der Magie befand. Nicht grundlos hatte er sich trotz des dichten Nebels und der immer wieder plötzlich aus den Schleiern auftauchenden Häuserecken und Straßenlaternen entschieden zu fliegen. Er fühlte, dass ihm jemand nacheilte, jemand – oder etwas.
    Schatten glitten im Inneren von verlassenen Häusern vorüber, sie drückten sich wie Fratzen gegen dunkle Fenster und bäumten sich in Hinterhöfen zu unheimlichen Schemen auf. Nando wusste, dass in dem Nebel zahlreiche Schreckgestalten lauern konnten, um den Novizen ihre Aufgabe zu erschweren, und er bemühte sich nach Kräften, die Gelassenheit und ruhige Konzentration, die Drengur und Antonio ihn gelehrt hatten, in seine Glieder einkehren zu lassen. Doch die vollkommene Stille um ihn herum, die Rastlosigkeit der Kälte, die ihm nachglitt, und die atemlose Dunkelheit der Schatten, die bisweilen zwischen zwei Häusern aufflammten wie Schemen aus einer anderen Welt, schickten ihm eisige Schauer über den Rücken.
    Wachsam folgte er der Spur Olvryons, und während der Nebel um ihn herum sich etwas lichtete, erreichte er die Piazza della Repubblica mit ihrem Najadenbrunnen, der auch zu dieser späten Stunde rauschendes Wasser in den Himmel spie. Flüchtig ließ Nando seinen Blick über die Nymphen und Meeresungeheuer schweifen – und bemerkte den Schatten, der hinter dem Brunnen über den Platz schritt. Olvryon.
    Der Blick des Ovo glitt ruhig über die Piazza, doch Nando verbarg sich hinter dem Brunnen, sodass Olvryon ihn nicht bemerkte. Er verdrängte die Furcht, die der Nebel in ihm heraufbeschwor, schob die Trugbilder und Schemen beiseite, die ihn umdrängten, und konzentrierte sich ganz auf den Herrscher der Ovo. Dieser schien nicht damit zu rechnen, dass Nando sich ihm so lautlos nähern konnte, und er begann, den Nebel zu seinen Füßen in geräuschloser Geste abzuzupfen und sich einzuverleiben. Mit jedem Bissen glitt ein schwarzer Schatten über Olvryons Fell. Nando griff nach seinem Seil. Langsam schob er sich dichter heran, das Wasser des Brunnens war kalt an seinen Beinen, als er hineintrat. Er würde Olvryon fangen, er würde die Prüfung bestehen, jetzt gleich. Vorsichtig hob er das Seil – und im selben Moment wandte Olvryon den Blick. Ein Funkeln ging durch seine Augen, das einem Lachen glich, und noch ehe Nando etwas hätte tun können, fiel ein Wassertropfen auf seine rechte Hand.
    Der Klang des Aufpralls war tausendfach

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