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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Nephilim zu ertragen, der nun langsam die Hand mit dem lächerlichen Zauber sinken ließ.
    »Was muss ich tun?«, fragte der Verräter atemlos. Er schien seine Furcht vergessen zu haben. Noch immer glänzte der Schweiß auf seiner Stirn, doch der Zorn flammte in seinen Augen auf und überdeckte jedes andere Gefühl.
    »Es scheint doch noch Nephilim mit Verstand zu geben.« Bhroroks Stimme strich grollend durch den Raum wie ein Wolf, dem es nicht mehr möglich war, Gestalt anzunehmen. »Sag mir, wo der Junge ist – zeige mir den Weg nach Bantoryn.«
    Er sah den Verräter schwanken. Ablehnung legte sich auf dessen Gesicht, plötzlicher Stolz flammte über seine Züge, er adelte ihn – doch er war nicht von Dauer. Die Augen des Nephilim hingen an Bhroroks Lippen, als sich das bleiche Gesicht näher zu ihm heranschob und sein Gegenüber flüsterte: »Schon einmal habe ich den Nephilim ein Angebot gemacht. Doch sie haben es abgelehnt. Das war dumm – ausgesprochen dumm sogar.« Er sah, wie sich Zustimmung in die Augen des Verräters mischte, wie der Zorn zurückkehrte. Er wartete, bis der Nephilim kaum merklich genickt hatte, dann fuhr er fort: »Doch du scheinst klüger zu sein als die meisten anderen deines Volkes. Du weißt, wo die richtige Seite ist in diesem Krieg. Daher reiche ich dir die Hand. Du musst kein Leben im Verborgenen führen, kein Leben in einem verstümmelten Leib und auf den magielosen Wegen lächerlicher Menschen. Entscheide dich für den Weg meines Herrn, und du wirst über jene befehlen, die nun mit Waffengewalt nach dir suchen.«
    Der Verräter nickte wie in Trance. »Ist es wahr, dass dein Herr die Nephilim befreien wird, wenn ich dir sage, wo der Teufelssohn ist? Dann wäre ich derjenige, der ihre Fesseln gesprengt hätte. Das werden sie schon erkennen und zu schätzen wissen, wenn die Engel vernichtet wurden und wir alle wie Fürsten über die Welt herrschen! Und ich – ich werde der mächtigste unter den Nephilim sein! So ist es doch, nicht wahr?« Er brauchte nicht das Nicken seines Gegenübers. Seine Augen waren nichts mehr als farblose Spiegel, und sie zeigten nur noch eines: die klebrige Fratze der Gier nach Rache und Macht. Atemlos trat der Verräter einen Schritt näher, flüsternd gab er den Weg in die Stadt der Nephilim preis.
    Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, als er in das weiße Gesicht Bhroroks schaute – und es erstarrte zur Maske, als sein Gegenüber das Lächeln erwiderte. Die Blässe wich von dessen Wangen, langes Haar fiel auf seine Schultern hinab, und die gerade noch pechschwarzen Augen verwandelten sich in Augen aus Gold.
    Der Verräter wich zurück, namenlose Furcht verzerrte sein Gesicht, doch schon wurde er am Kragen gepackt. Das Zischen eines Schwertes durchzog die Luft, dicht gefolgt vom knirschenden Geräusch von Knochen, Metall und reißendem Fleisch. Blut lief dem Nephilim aus dem Mund, während das Schwert durch seine Brust glitt wie durch weiche Butter, doch seine Augen starrten noch immer in das Antlitz, das soeben seine Maske hatte fallen lassen.
    »Ich bin nicht dein Feind«, flüsterte Avartos, ohne sein Lächeln einzubüßen. »Denn vor Feinden hat man Achtung.«
    Dann riss er das Schwert quer durch den Leib des Verräters. Ein gurgelnder Laut drang aus dessen Kehle. Gleich darauf brach er zusammen und rührte sich nicht mehr.
    Avartos wandte sich ab. Seine Stille verschlang das Bild des toten Nephilim, doch etwas pulste in ihr, das die sonst so beruhigende Leere in seinem Inneren durchdrang und wie eine Antwort war oder eine Frage. Unerklärliche Unruhe wallte plötzlich in ihm auf, es kostete ihn Kraft, die Übelkeit niederzukämpfen, die ihn auf einmal bei dem Geruch des Blutes befiel. Doch als er sein Schwert mit einem Tuch gesäubert hatte, war die Kälte in seine Glieder zurückgekehrt und ließ ihn Atem holen. Nun hatte er erreicht, wovon die Engel seit so langer Zeit träumten, wonach sich die Krieger der Königin sehnten und woran sie immer wieder gescheitert waren. Nun würde die Zeit der Nephilim enden, die Zeit der Teufelskinder und die mögliche Rückkehr des größten Feindes allen Lichts. Nun kannte er den Weg nach Bantoryn.

39
    Die Lichter Bantoryns glommen zu Nando herüber wie Leuchtfeuer in Silber und Gold. Er hatte sich auf dem höchsten Hügel des Mohnfeldes niedergelassen, den Blick auf die Stadt der Nephilim gerichtet, und spielte auf seiner Geige. Kaya hockte auf seinem Knie, die Töne fuhren durch ihr Fell wie winzige Klauen,

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