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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Sternenplatz und die Plattformen der Türme fort, bis er die Reihen des Theaters ergriff. Es war kein tosender, kein lauter Beifall, er hörte sich an wie das leise Pochen von Regentropfen auf Fensterglas, und für einen Moment stand Nando wieder im Obolus und schaute hinaus in die Nacht. Wie viel mehr lag mitunter hinter einer Finsternis, die man fürchtete, wie viel mehr gäbe es zu entdecken, wenn man es nur wagen würde, genauer hinzuschauen.
    Salados nickte langsam, und zum ersten Mal, seit Nando ihn kannte, stahl sich etwas wie Wärme in seine dunklen Augen. Antonio wandte sich erneut zu dem Schwert um, das für Nando bestimmt war, doch da klang eine Stimme durch das Theater und ließ ihn innehalten.
    »Wartet!«
    Noemi kletterte aus den Reihen hinab. Sie hielt einen mit einem blauen Tuch umwickelten Gegenstand in den Händen, den sie Antonio überreichte. Kurz schienen sie sich in Gedanken zu unterhalten. Dann wandte sie sich ab. Neben Nando blieb sie für einen Moment stehen.
    »Es hat meinem Bruder gehört«, sagte sie leise. »Es gehört in die Hand eines Kriegers.«
    Mit diesen Worten trat sie beiseite. Antonio zog das Tuch fort, und darunter kam ein reich verziertes, mit einem Rubin geadeltes Schwert zum Vorschein – das Schwert von Silas.
    Wie im Traum nahm Nando die Waffe in Empfang, und als Antonio ihm den Eid vorsprach, da hörte er nicht die Stimme des Engels. Vor ihm stand Silas, nicht schemenhaft und unwirklich, sondern klar und so deutlich, dass Nando sicher war, nur die Hand ausstrecken zu brauchen, um ihn berühren zu können. Er hörte seine Stimme, die ihm die Worte vorgab, und er spürte Silas’ Hand auf seiner Schulter, kurz nur und flüchtig, aber doch so deutlich, dass es Nando die Kehle zusammenzog.
    »Ich schwöre bei meinem Leben«, sagte er und hörte, wie seine Stimme den Eid über die Reihen trug, »Bantoryn und die Nephilim dieser Stadt zu schützen, Hilfesuchenden Hilfe zu gewähren und ihnen Zuflucht zu bieten vor allem, was sie verfolgt. Hiermit bekräftige ich diesen Eid und bekenne mich erneut zu dieser Stadt, denn ich bin ein Bruder des Zwielichts, ein Krieger der Schatten – und all jene sollen mich fürchten, die Unheil bringen über mich und meine Gefährten oder die Freiheit bedrohen – die Freiheit Bantoryns!«
    Kaum dass er die letzten Worte gesprochen hatte, explodierte ein Feuerwerk über den Dächern Bantoryns, Funken sprühten, und Gestalten entstanden aus den Flammen. Nando sah einen Bären, Riccardos Seelentier, einen Hasen, der ihn an Ilja denken ließ – und einen roten Drachen. Und erstmals, seit er sich selbst in diesem Bild erkannte, spürte er keine Furcht, keine Dunkelheit mehr in sich. Er hörte den Jubel der Nephilim, die in die Orchestra des Theaters strömten, bemerkte Morpheus’ kleine Flugmaschinen, die ein gewaltiges Laken über den Köpfen der Zuschauer durch die Luft zogen, und er sah einen wirbelnden Roboter mit winzigem Messer heranzischen, der das Tuch einmal längs zerschnitt. Mohnblüten quollen hervor und fielen wie purpurfarbener Schnee auf die Nephilim nieder. Musik drang durch die Straßen, und von den Plätzen stiegen glimmende Ballons in den Himmel der Höhle.
    Nando ließ sich treiben, gemeinsam mit den anderen, die in einem jubelnden Umzug in die Stadt hinabzogen. Er wusste, dass sie die ganze Nacht über feiern würden, und er lief mitten unter ihnen, die Funken seines Drachen auf dem Gesicht, die Sterne aus Feuer und Eis über sich – und die Hand auf Silas’ Schwert gelegt.

38
    Der Keller war feucht und modrig. Nur durch das eingeschlagene Fenster fiel das fahle Licht einer Straßenlaterne auf den mit Unrat bedeckten Boden, verrottete Regale und provisorisch aufeinandergestapelte Obstkisten für einen schnellen Ein- und Ausstieg aus dem faulenden Loch. In der Ecke des Raums stand ein Spiegel, halb zerbrochen und angelaufen, und er reflektierte Bhroroks Gesicht. Die Haut kalkweiß, die Lippen kaum mehr als ein blasser Schnitt in seinem Fleisch, und die Hände, die blutig waren vom Kampf gegen den verfluchten Sohn des Teufels.
    Das Heulen des Wolfs klang in ihm wider wie ein nicht enden wollendes Echo der Verdammnis, ein Riss in den Schatten, der ihn schaudern ließ. Seine Knochen knackten, als er die Faust ballte. Der Teufelssohn war ihm entkommen – doch nicht für lange. Er hockte in der Ecke schräg gegenüber vom Fenster und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Neben den Regalen war der Unrat beiseitegeräumt

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