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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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die Möglichkeit hast, Luzifer zu vernichten und die Nephilim in die Freiheit zu führen. Nicht wahr?
    Er bewegte die Lippen, erst im letzten Moment zwang er die Worte in seine Gedanken und sprach sie nicht laut aus. Woher weißt du das? Ich dachte, das alles wäre ein Geheimnis.
    Das ist es. Niemand weiß mehr etwas davon außer Antonio, Drengur – und mir. Sie holte Atem, ihre Hände ruhten auf dem Brückengeländer, und Nando hörte, wie das Metall unter ihnen leise ächzte wie ein müder Saurier.
    »Mein Vater wurde nicht hier unten geboren«, sagte Noemi leise. Nando musste näher zu ihr treten, um ihre Stimme im Tosen des Windes zu verstehen, doch sie stand regungslos und hatte den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, als würde sie die Kälte nicht spüren. »Im Gegensatz zu meiner Mutter war er ein Oberweltler, der sich erst nach und nach hier unten zurechtfand. Er sagte immer, dass er erst heimisch geworden sei in Bantoryn, nachdem er meine Mutter getroffen hatte, und ich glaube, dass das die Wahrheit ist. Er verfügte über die Gabe der Heilkunst. Das ging so weit, dass er, nachdem seine Magie erweckt worden war, Krankheiten vollkommen fremder Wesen spüren konnte, ohne sie zu berühren. Er konnte Verletzungen mit der Kraft seiner Gedanken heilen und vermochte es, stets die richtigen Arzneien zusammenzustellen, um einem Kranken zu helfen. Häufig begleitete er Sterbende in den Tod, denn seine Anwesenheit wirkte beruhigend auf sie, und nicht selten gelang es ihm, einen bereits Todkranken zu retten. So kam es, dass er im Hospital der Stadt Arbeit fand und dort gemeinsam mit den besten Heilern Bantoryns Verwundete und Kranke betreute. Er arbeitete lange Jahre dort, und er war glücklich, wir alle waren das, bis … « Sie stockte, ihre Finger schlossen sich fester um das Geländer. »Bis meine Mutter kurz vor meinem sechsten Geburtstag von den Engeln getötet wurde. Sie war auf dem Weg in die Oberwelt gewesen, um ein Geschenk für mich zu besorgen. Sie kam niemals zu uns zurück. Von diesem Tag an war mein Vater wie ein Schatten, ja, ich erinnere mich daran, wie ich eines Abends zu Silas sagte: Sieh nur, sie haben ihn auch mit sich genommen. Jetzt ist er nur noch ein Schatten wie wir alle. « Sie hielt kurz inne, ehe sie fortfuhr: »Eines Tages brachte Yrphramar einen schwer verwundeten Dämon ins Hospital. Antonio schickte alle Heiler aus dem Zimmer. Nur mein Vater durfte bleiben und ihm dabei helfen, den Dämon am Leben zu erhalten.«
    »Drengur«, murmelte Nando.
    Noemi nickte, ohne ihn anzusehen. »Er sprach im Wahn, als würde er mit dem Teufel selbst reden, so schilderte es mein Vater später. Und er wiederholte immer dieselben Worte: Ich nicht mehr – aber dein Kind wird das Schwert holen und dich vernichten, Fürst der Hölle! Mein Vater begriff augenblicklich, was das bedeuten konnte: die Freiheit aller Nephilim, sobald Luzifer bezwungen würde. Er geriet außer sich vor Aufregung und wollte auf der Stelle Nachforschungen anstellen, sodass Antonio nichts anderes übrig blieb, als ihm die Worte des Dämons zu bestätigen und ihm gleichzeitig das Versprechen abzunehmen, dass er unter keinen Umständen mit irgendwem außer seinen engsten Vertrauten darüber sprechen würde, um die sagenumwobene Waffe und ihren Träger nicht in Gefahr zu bringen. Mein Vater sprach mit niemandem darüber außer mit Silas und mir, und von diesem Tag an glaubte er voller Hoffnung an das Schwert und das Kind des Teufels, das uns eines Tages retten würde. Nun, das Kind des Teufels kam zu uns, wie du weißt.«
    Nando sah sie von der Seite an, er bemerkte den Schatten, der sich auf ihre Züge legte. »Kanntest du ihn? Aldros, meine ich?«
    »Ja«, erwiderte sie kalt. »Ich war noch ein Kind, aber ich erinnere mich an ihn. Ich erinnere mich daran, wie er uns besuchte, gemeinsam mit Antonio, ich erinnere mich an einen ruhigen, schweigsamen jungen Mann, und … «
    »War er mir ähnlich?«, Nando sah sie nicht an, als er das fragte, aber er spürte ihren Blick wie Flammen auf seiner Haut.
    »Ja«, sagte sie in einem Tonfall, der rätselhaft zwischen Kälte und Sanftmut verklang. »Das war er.«
    Nando hob den Blick, für einen Moment noch sah er, wie Wärme über Noemis Gesicht glitt wie der Schatten eines Flügels. Doch sofort wandte sie sich ab.
    »Ganz besonders erinnere ich mich an den Blick meines Vaters«, fuhr sie fort. »Niemals hat er jemanden auf diese Weise angesehen wie Aldros. Er setzte solche Hoffnung in

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