Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
kannst. Du kannst Luzifer vernichten, Nando – du ganz allein. Und eines Tages wirst du dies selbst erkennen.«
    Noch einmal legte er seinem Novizen die Hand auf die Schulter, und obwohl kein Lächeln über sein Gesicht flammte, sah Nando deutlich den Funken, der seine Augen für einen Moment in helles Licht tauchte. Seine Kehle zog sich zusammen, denn er fühlte die Enttäuschung, die er in Antonio gepflanzt hatte – ausgerechnet in ihn, seinen Mentor, jenes Wesen, das ihn gerettet hatte und das er um nichts in der Welt jemals hatte enttäuschen wollen.
    Da wandte Antonio sich ab. Die Mohnblumen neigten die Köpfe vor ihm, roter Blütenstaub wirbelte um ihn herum auf, während er den Weg zur Stadt hinabschritt, wortlos und schattenhaft, ohne sich noch einmal umzudrehen.

40
    Bhrorok stand in den Schatten und betrachtete das Licht, das aus der Wohnung fiel. Golden brach es durch die gläserne Tür und zeichnete Muster in die Dunkelheit wie Worte aus einer anderen Zeit. Harkramar, dieser nutzlose Dämon, hatte ihm einen Hinweis gegeben, ehe er vom Teufelssohn in die Finsternis Razkanthurs zurückgeschleudert worden war, einen Hinweis, der die Wende bedeutete bei dieser bisher erfolglosen Jagd. Wenige Schritte nur und Bhrorok würde am Ziel sein – doch er rührte sich nicht. Wie benommen verharrte er in der Finsternis und starrte ins Licht, dieses lockende Feuer, das ihn zu gleichen Teilen anzog und abstieß. Dieses Licht hatte eine Stimme. Bhrorok hörte es flüstern, er hörte es lachen und schreien, und obwohl er die Sprache nicht verstand, wusste er, dass es mit ihm sprach und dass der Abgrund in ihm jeden Ton verzehrte. Es hatte auch einen Geruch, den er nicht kannte und der ihm doch so vertraut schien, als würde er seiner todkalten Haut entströmen, und er fühlte die Hand dieses Lichts nach ihm greifen, die Klaue, die sich gleich zur Faust ballen und ihn zurückschlagen konnte. Er kannte dieses Licht, das auf seltsame Weise in ihm widerklang, in ihm, einer Kreatur der Finsternis. Er hätte es hassen müssen wie die meisten Dinge in dieser falschen Welt, doch er tat es nicht, und das verwirrte ihn und erregte seinen Zorn. Die Jagd nach dem Teufelssohn nagte an seinem Verstand. Er musste sie schnellstens beenden. Die vertrockneten Blätter der Blumen in den Setzkästen knisterten leise, als er sich bewegte. Er wandte den Blick nicht ab, als er in das Licht trat, und er ließ seinen Zorn auflodern und ihn jede Stimme, jeden Duft und jede mögliche Berührung niederbrüllen. Lautlos trat er zur Tür hinüber, spähte durch den zerrissenen Vorhang – und fuhr so heftig zusammen, dass er beinahe zurück in die Schatten getreten wäre.
    Eine Frau saß auf einem schmalen Hocker. Sie war allein und hielt eine Zigarette in der Hand, an der sie seit Minuten nicht gezogen hatte. Bhrorok konnte die Glut hören, die den Ascherest immer länger machte. Ihre Haare hatte sie mit einem Pinsel zusammengedreht und hochgesteckt, einzelne Strähnen hatten sich gelöst und fielen ihr in die Stirn. Sie hielt die Augen geschlossen, und doch kam es Bhrorok so vor, als würde sie ihn durch ihre Lider hindurch ansehen. Sie wartete auf etwas, das konnte er sehen, und in der Art, wie sie ihre Zigarette hielt, wie sie auf dem Hocker saß und die Asche zu Boden fallen ließ, lag etwas, das jedes äußere Licht, jede Helligkeit, vor der er gerade noch zurückgewichen war, übertraf. Plötzlich schien es ihm, als würde das Gold der Wohnung in Wahrheit aus dieser Frau kommen, und noch während er angewidert von diesem Glanz das Gesicht verziehen wollte, trat er wie von selbst einen Schritt vor. Entsetzt blieb er stehen, eine Stimme aus Glut und Feuer raste durch seine Gedanken und verbrannte sie, doch er konnte den Blick nicht von der Frau abwenden. Es war, als würde sich der Abgrund in ihm nach ihr verzehren, als wollte er von ihrem Licht geflutet werden, um sich endlich daran zu erinnern, was er einmal war. Etwas brüllte in seinem Inneren, als er die Hand hob und sie von außen gegen die Scheibe legte, und noch ehe er wusste, ob es seine eigene Stimme war, die er da hörte, öffnete die Frau die Augen.
    Sie schaute zur Tür herüber, mehr noch, sie sah Bhrorok direkt an. Kurz schien sie zu glauben, den vor sich zu sehen, auf den sie wartete, und für diesen einen Moment wurde der Glanz ihrer Gestalt unerträglich. Ein Lächeln zog über ihr Gesicht und flutete jede Faser ihres Körpers mit einem Licht, das Bhrorok das Blut in den Adern

Weitere Kostenlose Bücher