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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ihn, und er hat diese Hoffnung mit ins Grab genommen, so dachte ich lange, bis ich sie in Silas wiederfand … und nun auch in mir.« Überrascht sah Nando sie an, und Noemi lächelte. Sanft strich sie über das Brückengeländer wie über die Haut eines Drachen. »Diese Brücke ist die älteste Brücke der Stadt, hast du das gewusst? In gewisser Weise ist sie ein Symbol für mich geworden für die Stärke und die Unnachgiebigkeit unseres Volkes, für den Willen, Abgründe und Grenzen zu überwinden, und für die Sehnsucht nach dem, was auf der anderen Seite liegt – was es auch sein mag. Jeder Nephilim in dieser Stadt wird schon einmal über diese Brücke gegangen sein, und wenn die Akademie Bantoryns Gehirn ist und die Garde Bantoryns Faust, so ist diese Brücke Bantoryns Herz. In ihren Streben stecken die Sehnsüchte aller Nephilim, die jemals in dieser Stadt gelebt haben, und vor jedem anderen Gefühl steht die Sehnsucht nach Freiheit, nach einem selbstbestimmten Leben, danach, in die Sonne und ins Licht treten zu können, ohne Furcht vor den Engeln haben zu müssen. Als ich dich kennenlernte, empfand ich nichts als Zorn, Trauer und Verzweiflung. Ich habe dich gehasst dafür, dass meine Mutter ermordet wurde, ich habe dich für den Tod meines Vaters gehasst und später dafür, dass Silas mir genommen wurde. Und mehr noch habe ich dich für ihre Hoffnung gehasst – dafür, dass sie an eine Rettung geglaubt haben, die ihnen nicht mehr zuteilwurde.« Für einen Moment flammte wieder die alte Finsternis in ihren Augen auf, doch ihr Gesicht wurde nicht mehr kalt und abweisend. »Doch nun weiß ich, dass sie recht hatten. Nun, da ich hinter die Dinge geschaut habe, weiß ich, dass es besser ist, ein Leben der Hoffnung zu widmen als dem Zorn – oder der Furcht.« Bei dem letzten Wort wurden ihre Augen eine Spur dunkler, Nando wusste, dass es ihm galt. »Du könntest uns Frieden bringen. Ist dir das bewusst? Du könntest die jahrhundertelange Knechtschaft und Verfolgung beenden und dem Volk der Nephilim die Freiheit schenken.«
    Nando schaute hinunter zum Lauf des Schwarzen Flusses und schüttelte den Kopf. »Ich kenne den Teufel gut genug, um zu wissen, dass ich gegen ihn nicht bestehen würde. Aldros ist an seiner Macht zerbrochen, und ich … ich würde ebenfalls scheitern, auch wenn du das nicht glauben willst. Und dann wird der Teufel über die Welt gebieten und Krieg über uns alle bringen.«
    Da stieß Noemi die Luft aus, schneidend und kalt. »Bantoryn ist meine Heimat, und doch ist diese Stadt ein Gefängnis. Nur wenige von uns wagen sich überhaupt aus ihr hinaus, hast du das nicht gewusst? Ich wuchs mit der Sehnsucht nach dem Sonnenlicht auf, mit den Erzählungen von der Oberwelt, von den Menschen, den Engeln, selbst den Dämonen, die in Freiheit leben und sterben können. Bantoryn ist ein Kerker in den Schatten, der mich vor denen bewahrt, die mich vernichten wollen, vor jenen, die mein Volk seit langer Zeit verfolgen und töten.« Sie sah ihn an, ihr Blick war wie eine Ohrfeige, obgleich sich etwas wie Mitleid in ihre Augen stahl – ein Ausdruck, der ihr Gesicht seltsam weich machte. »Du lebst noch nicht lange hier in Bantoryn, doch ich kenne nichts anderes. Ich habe Kinder in den Gängen der Schatten sterben sehen, ich hielt die Hand meines besten Freundes im Todeskampf, als ich vier Jahre alt war und wir beim Spielen von den Engeln überrascht worden sind. Er wurde von drei Pfeilen in die Brust getroffen, es dauerte neunzehn Stunden, bis er starb. Ich habe gesehen, wie Nephilim freiwillig in den Tod gingen, wie sie von dieser Brücke in den Fluss sprangen, die Schwingen mit Bannzaubern an ihren Leib gefesselt, weil sie ein Leben hier unten nicht mehr ertrugen. Ich habe meine Mutter verloren, ich habe meinen Vater und meinen Bruder auf der Ebene ohne Zeit zu Grabe getragen, ebenso wie viele meiner Freunde, weil sie ermordet wurden für das, was sie waren. Du weißt nicht, wovon du sprichst, Nando, wenn du dich vor dem Krieg fürchtest, der vielleicht hereinbricht, wenn du scheiterst. Mein Volk befindet sich seit Jahrhunderten im Krieg, einem Krieg, den es nicht begonnen hat und der nicht enden wird, solange der Teufel existiert.«
    Nando schwieg für einen Moment. »Warum glaubst du an mich?«, fragte er dann kaum hörbar.
    »Ich glaube an dich«, erwiderte sie ebenso leise, »weil ich dich angesehen habe – damals, als du mich hättest töten können, und von da an immer wieder. Ich habe gesehen,

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