Nephilim
Brust.
Er schaute auf das Feuer in den Schatten, die Flamme, die der Teufel ihm entgegenhielt. Er wollte nichts mehr, als die Hand auszustrecken und diese Macht anzunehmen, und doch hielt ihn etwas zurück, eine leise, flüsternde Stimme in seinem Inneren, die sich den Worten Luzifers entgegenwarf und Nando dazu brachte, den Blick von der Flamme in dessen Hand abzuwenden und noch einmal in die goldenen Augen des Engels zu schauen.
Und da sah er die Schatten, die hinter dem flammenden Gold der Engelsaugen lagen. Eine im Frost der Finsternis erstarrte Leere glotzte ihm entgegen, ein Vakuum, das wie ein Schrei war nach etwas, das unwiederbringlich verloren war und das mit bloßem Schein überdeckt wurde. In Wahrheit jedoch war es ein Nichts, in dem sich niemand selbst finden würde, der einmal hineingeriet. Nando schauderte, als er den Blick in diese Schatten ertrug. Nein, kein Engel war es, der da vor ihm stand, sondern mehr, viel mehr als das: Hier war der Abgrund, der jeden Engel verschlingen konnte, und die Zeilen Giambattista Marinos gingen ihm durch den Kopf: Unglücklicher, wie du deinen früheren Glanz verlorst, du, einst des Lichtes schönster Engel.
Kaum dass Nando das gedacht hatte, brach die Dunkelheit durch das Gold der Engelsaugen und wurde zu einem Meer aus tobenden Wellen. Licht und Schatten schlugen donnernd zusammen, sie wurden zu zwei Drachen, die sich ineinander verbissen, und sie griffen nach Nando. Er verlor das Gleichgewicht, er stürzte in die Tiefe, eine Tiefe aus Hohn und Finsternis, die kälter war als jede Erinnerung an Trauer und Schmerz, die er kannte. »Nein!«, schrie er gegen die Schwärze an und sprang vor dem Teufel zurück. Eilig warf er sich herum und stürzte auf sein geflügeltes Ebenbild zu, das noch immer am Boden kauerte. Da griff etwas nach seinem Bein, es war ein Schatten, der als monströse Schlangenzunge über den Boden glitt und ihn zu Fall brachte. Nando schlug mit dem Kopf auf, er fühlte das Brüllen hinter sich mehr, als dass er es hörte. Gleißendes Licht fegte über ihn hinweg. Die Erde erbebte, er drehte sich auf den Rücken – und erstarrte.
Die Flamme der höchsten Magie war zerbrochen. Ihr Feuer umflackerte den Teufel, der hochaufgerichtet inmitten der zurückgedrängten Schatten stand und reglos auf Nando hinabschaute. Sein goldenes Haar umwehte ihn wie Schleier aus Flammen, kurz sah es aus, als würde er verbrennen. Doch da öffnete er den Mund, und ein Schrei wie von tausend verfluchten Seelen getragen brandete aus seiner Kehle. Hohn, Bitterkeit und fühllose Kälte klangen darin wider, es war der Schrei eines Wesens, das in Fesseln lag und sie trotz aller Anstrengung nicht zerreißen konnte. Wieder veränderten sich die Augen des Teufels, Nando sah Kreaturen darin, die sich in loderndem Feuer wanden, er hörte ihre Schreie und sah, wie Schwärme aus schwarzen Fliegen ihnen das Fleisch von den Knochen rissen. Schaudernd wich er zurück, die Hand tastend nach der kauernden Gestalt hinter sich ausgestreckt, doch unfähig, sich abzuwenden. Die Insekten wallten auf, er hörte ihre knisternden Körper, und da brachen sie aus den Augen des Teufels wie Flammen aus dem Schlund der Hölle. Mit ohrenbetäubendem Surren sammelten sie sich zu seinen Füßen und formten sich zu pechschwarzen Wölfen, ehe die Augen ihres Herrn wieder in goldenem Licht standen.
Du bist mein Sohn , raunte der Teufel, als er Nando fortkriechen sah. Du wirst zu mir kommen – früher oder später. Bete, dass Bhrorok dich nicht vorher fängt!
Mit diesen Worten stieß er die Faust vor. Die Wölfe sprangen durch die Luft, Nando schrie auf und warf sich herum. Er streckte die Hand nach dem Herzen der Gestalt hinter ihm aus, seine Finger glitten durch deren Brust wie durch Nebel. Sie berührten etwas Glattes, das kalt war wie ein Stück Eis. Sein Schrei blieb ihm in der Kehle stecken. Plötzlich kniete er am Boden, eine Hand neben seinem Fuß abgestützt, und fühlte gleich darauf die Fliegen, die sich auf ihn stürzten. Keuchend kam er auf die Beine, etwas wie eine verkrustete Sandschicht brach von seinem Körper ab. Ein stechender Schmerz durchbohrte seinen Rücken, es war, als schöben sich Knochen und Sehnen durch sein Fleisch, und der Schmerz wurde so übermächtig, dass Nandos Stimme unter seinem Schrei zusammenbrach.
Außer sich riss er den Kopf in den Nacken, glühende Lanzen stachen durch seinen Rücken, als er die Schwingen ausbreitete und sich in die Nacht erhob. Vor ihm lag
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