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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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erwachter Nephilim seine Flügel nicht gebrauchen kann. Keine Angst. Du wirst die Möglichkeit zu fliegen dennoch bekommen.«
    Er trat auf Nando zu und half ihm von dem zerstörten Panda herunter.
    »Das alles hier ist die Schattenwelt?«, fragte Nando und schaute ungläubig zu der Stadt hinauf, die hin und wieder hinter den goldenen Schleiern sichtbar wurde.
    Antonio lächelte kaum merklich. »Bisher kennst du nur einen Teil dieser Welt, dessen kannst du gewiss sein. Die Stadt dort oben heißt Nhor’ Kharadhin. Sie ist die Stadt der Engel.«
    Nando legte den Kopf in den Nacken. »Sie sieht aus wie eine Stadt aus Licht. Und sie ist wunderschön. Ich würde gern … «
    Antonio stieß so schneidend die Luft aus, dass Nando zusammenfuhr. »Du würdest dich gern von dieser Stadt fernhalten, ist es das, was du sagen wolltest?«, fragte der Engel und hob mit ironischem Lächeln die Brauen. »Da stimme ich dir zu. Solltest du auch nur ansatzweise an deinem Leben hängen, wirst du Nhor’ Kharadhin niemals betreten. Ohnehin wirst du ausreichend beschäftigt sein in nächster Zeit. Du musst die Welt der Schatten in- und auswendig kennen, wenn du gegen einen Dämon der Hölle bestehen willst. In den kommenden Wochen wird sie dein Lehrmeister sein und dein schrecklichster Feind. Sie wird dich zu dir selbst führen, und dieser Weg hat bereits viele in den Untergang getrieben.«
    Nando senkte nachdenklich den Blick und bewegte seine linke Hand. Er war auf ihr gelandet, nun schmerzte sie stark, und es gelang ihm nicht, die Finger zu beugen. »Das ist halb so wild«, sagte er, als Antonio die Hand ausstreckte und sie in einigem Abstand über seinem Arm bewegte. Die Miene des Engels verfinsterte sich, er schüttelte den Kopf.
    »Du kannst nicht gegen den obersten Dämon des Teufels antreten mit nur einem Arm«, stellte er fest. »Du musst deine Hand uneingeschränkt bewegen können, wenn du nicht deinen eigenen Tod in Kauf nehmen willst, sollte sie dich in einem ungünstigen Moment im Stich lassen. Dort, wo wir hingehen, gibt es jemanden, der dir helfen kann.«
    Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging die Straße hinab.
    »Und wer soll das sein?«, rief Nando ihm nach. »Kein Arzt hat bisher etwas für mich tun können! Und wo willst du überhaupt hin? Gehen wir etwa zu Fuß nach Ban… wie auch immer diese Stadt heißt?«
    Antonio blieb stehen und lächelte geheimnisvoll. »Zu Fuß? Kein Nephilim in deinem Zustand wäre fähig, Bantoryn zu Fuß zu erreichen. Nein, es gibt andere Wege, um dorthin zu gelangen. Komm mit mir, Teufelssohn, und ich zeige sie dir.«
    Damit wandte er sich zum Gehen. Nando blieb stehen, wo er war, fühlte das Licht der Engelsstadt Nhor’ Kharadhin auf seinem Gesicht und betrachtete die goldenen Türme und Kuppeln, die Rom auf so rätselhafte Weise verwandelten. Ihm schien es, als hätte Antonio ihr eine Maske vom Gesicht gerissen, unter der eine andere Stadt lag, deren Wahrheit er noch nicht erfassen konnte. Er spürte den Schrecken vor diesem neuen Antlitz dumpf in sich pochen, doch gleichzeitig zog die Welt der Schatten ihn mit sich wie eine rätselhafte Fremde, und obwohl ihr Licht ihn in Unruhe versetzte und ihre Dunkelheit ihn ängstigte, wollte er sich nicht gegen sie wehren. Sie schien ihm die Antwort zu sein auf vieles, was er sich sein Leben lang gefragt hatte, ohne es zu wissen, und er verstand, dass Antonio recht hatte: Die Realität, wie Nando sie gekannt hatte, gab es nicht mehr. Die Welt der Schatten war mehr, viel mehr als das. Er holte tief Atem, langsam und fließend. Dann folgte er dem Engel in die Nacht.

8
    Die Piazza Navona, tagsüber einer der belebtesten Plätze von Rom, lag verlassen. Die Straßencafés waren geschlossen, aus keinem der Fenster oberhalb der Restaurants drang Licht. Nur das Plätschern der Brunnen durchzog die Stille, ein Geräusch, das Nando beinahe ein Gefühl von Normalität gab. Doch er musste nur in eines der Schaufenster sehen und wusste, dass gar nichts mehr normal war. Aus seinem Rücken ragten gewaltige schwarze Schwingen.
    »Nephilim«, murmelte er, während er sein verzerrtes Spiegelbild betrachtete, und ein zaghaftes Lächeln huschte über seine Lippen. Er hätte geglaubt, erschrocken sein zu müssen angesichts dieses Anblicks, doch er war es nicht. Er spürte das Brennen von Muskeln und Sehnen in seinem Körper, von deren Existenz er bislang nichts geahnt hatte, und obgleich er immer wieder ungläubig über die samtenen Federn strich, erschienen

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