Nephilim
übertrug, als er in den Lichtkreis einer Laterne trat.
»Magie«, raunte Antonio und lächelte. »Sie bringt die Welt dazu, sich zu drehen. Warum sollte es nicht möglich sein, eine Lampe mit ihrer Kraft in der Luft zu halten?«
Sie setzten ihren Weg fort, und Nando hatte schon bald jedes Zeitgefühl verloren. Es schien ihm, als wäre er in die Kulisse eines Films geraten, nur dass sie ihm wirklicher erschien als jede Straße Roms, und je stärker er den Blütenstaub auf seinen Wangen spürte und den kühlen Wind in seinem Haar, desto mehr wuchs seine Faszination für diese Stadt, die wie eine Traumgestalt inmitten der Erde lag. Die Luft wurde durchzogen vom Flügelschlagen der Nephilim, er beobachtete einen jungen Mann in seinem Alter, der einige hölzerne Kisten auf eine Sackkarre lud und mit ihr die Gasse hinaufschob, und er ließ seinen Blick über fluoreszierende Blumen schweifen, die auf der Fensterbank eines Hauses standen. Gewaltige Türme, in denen Laskantin bewahrt wurde, erhoben sich zwischen den kleinen Häusern, und das rötliche Licht der Energie strömte über die Dächer und Straßen wie Sonnenstrahlen. In regelmäßigen Abständen befanden sich flackernde Portale zwischen den Häuserwänden, und nicht nur einmal sah Nando fasziniert zu, wie ein Nephilim sich in das Licht begab und verschwand. Schließlich erreichten sie den Schwarzen Fluss, der Bantoryn, wie Antonio erklärte, in Ober- und Unterstadt teilte. Nando lief neben dem Engel über eine Brücke aus glänzendem Metall, schaute hinab ins Wasser und beobachtete fliegende Fische in den herrlichsten Farben, die aus dem pechschwarzen Wasser sprangen und für einen kurzen Moment durch die Luft glitten, ehe sie wieder in der Dunkelheit versanken.
»Wenn Luca diese Fische sehen könnte«, sagte Nando und lachte leise. »Früher, als wir noch Kinder waren, haben wir manchmal am Tiber geangelt. Wir haben nur selten etwas gefangen, aber darum ging es gar nicht. Wir … « Er stockte und sah zu, wie die Fische in den Fluten versanken. Niemals würde er Luca diese Wesen zeigen, würde nie mit ihm über das sprechen können, das er nun erlebte, es sei denn, er wollte seinen Freund in Gefahr bringen oder von ihm für komplett durchgedreht erklärt werden.
»Man nennt sie Crai Haerdo«, erwiderte Antonio. »Die Fliegenden Farben. Und vielleicht ist es gut, dass ihr selten etwas gefangen habt. Denn die Crai leben in allen Gewässern dieser Welt, auch im Tiber. Gut möglich, dass ihr sie schon einmal gesehen habt und nichts als der Schleier der Schattenwelt euch voneinander trennte. Du wirst lernen, mit diesem Schleier zu leben, mit diesem Hauch von Einsamkeit, durch den du von der Welt der Menschen getrennt wirst. Denn durch ihn hast du die Welt der Schatten gewonnen.«
Nando erwiderte das Lächeln des Engels, und aus irgendeinem Grund vertrieb diese Geste die Kälte von seinen Schultern, die gerade von ihm Besitz ergriffen hatte. Kurz darauf erreichten sie einen großen Platz. Der Boden war mit grau gesprenkelten Steinplättchen bedeckt, die wie kostbare Seide schimmerten, ein Podest aus schwarzem Marmor befand sich in seiner Mitte, und ein Turm aus Jade erhob sich als Silo für Laskantin ganz in der Nähe. Doch Nando hatte kaum einen Blick dafür. Er betrachtete ein pechschwarzes Gebäude, dessen prunkvoll verziertes Gebälk von zwölf goldenen Statuen gehalten wurde. Sie stellten männliche und weibliche Nephilim dar, und ihre Augen, die aus schimmernden Edelsteinen gefertigt worden waren, blickten starr und fast lebendig auf den Betrachter nieder. Hinter ihnen erstreckte sich der Pronaos, in dessen Rückwand eine Tür aus schwarzem Stahl lag.
»Dies ist der Markt der Zwölf«, sagte Antonio. »Er wurde benannt nach den zwölf ersten Rittern der Schatten, die einst die Garde Bantoryns begründeten: Ebeth mit dem flammenden Blick, Akrun, der den Schakal der Sümpfe fing und ihn mit einer Hand erwürgte, Hanoya, die einst gegen achtundvierzig Engel bestand, um Bantoryns Geheimnis zu wahren – die Liste der Ritter und ihrer Heldentaten ist lang. Nur die besten Novizen der Akademie werden in die Garde aufgenommen, und jeder Offizier, der zu dieser Stunde die Uniform Bantoryns trägt, hat mehr als einmal sein Leben riskiert für die Nephilim, die hier leben. Seit dem Anbeginn Bantoryns garantiert die Garde den Schutz unserer Stadt. Sieh hin.« Er deutete auf zwei Nephilim, die gerade über den Platz gingen. Sie waren in nachtschwarze Uniformen
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