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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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gekleidet, doch zahlreiche Silberstiche liefen über den Stoff hin und bildeten kunstvolle Muster. »Zu Beginn ihrer Zeit in der Garde war ihre Uniform noch vollkommen schwarz. Jeder einzelne Stich auf dieser Finsternis ist ein Zeichen für ihren Mut, ihre Hingabe und den Willen, Bantoryn zu schützen.«
    Nando betrachtete die Ritter der Garde, und ein seltsames Gefühl umfing ihn, das er erst nach einem Augenblick benennen konnte: Es war Ehrfurcht, ein stilles und hingegebenes Verlangen, einmal auf diese Weise über einen Platz gehen zu können, so stolz und so unnachgiebig wie diese beiden Nephilim. Schweigend setzten sie ihren Weg fort, vorbei an kleinen Geschäften, Restaurants, aus denen Musik auf die Straße drang, und urtümlichen Handwerksbetrieben. Immer wieder ertappte Nando sich dabei, wie er staunend in die Fenster der Häuser starrte, und während seine Füße durch Schwaden aus rotem Blütenstaub strichen, glitt ein Lächeln über seine Lippen. Hoch über ihnen glommen die Sterne aus Feuer und Eis, die tatsächlich so genannt wurden, wie Antonio ihm versichert hatte, und es schien ihm fast, als wären sie in einer Stadt der Menschen in der Oberwelt. Doch kaum dass ihn dieser Gedanke umfangen hatte, bog Antonio mit ihm nach links ab, und ein gewaltiger Turm schob sich in sein Blickfeld – der weiße Stalagnat in der Mitte der Stadt.
    Nando hätte nicht erwartet, dass der Turm so gewaltig sein würde. Zwar hatte er ihn aus der Ferne bereits gesehen, doch nun, da er die unzähligen winzigen Fenster hoch oben in dem Bauwerk erblickte, die Gebäude, die auf den Ausfächerungen standen, und die Bäume, die mit schwarzflammenden Blättern darauf wuchsen wie Miniaturen, hielt er den Atem an.
    »Der Mal’vranon«, sagte Antonio neben ihm, und Nando hörte fast so etwas wie Hingabe in seiner Stimme. »Der Turm der Zwischenweltler, das ist sein Name. In den ersten Tagen Bantoryns war er nichts als ein Zufluchtsort für jene, die keine andere Heimat mehr hatten. Heute ist er ein Symbol ihres Widerstandes, ein Zeichen ihres Kampfgeistes und ihrer Entscheidung, lieber jenseits des Lichts zu leben, als sich selbst zu verraten und zurückzukehren in Furcht und Verborgenheit.«
    Nando wandte sich nicht mehr von dem Bauwerk ab. Er betrachtete das schneeweiße Licht, das der Mal’vranon ausströmte, und bemerkte mit Staunen, wie sich ein grüner Schimmer hineinmischte, je näher sie dem Turm kamen. Sie gelangten auf eine breite Hauptstraße, und als sie die letzten Schritte bis hinauf zum Stalagnaten taten, flackerte der grüne Schein über die Pflastersteine zu ihnen hinunter und hüllte sie ein wie Schleier aus tanzenden Flammen.
    »Der Sternenplatz«, erklärte Antonio leise. »Und geborgen im Herzen des Mal’vranons liegt Naphraton – die Akademie der Nephilim. Hier wirst du leben und deine Ausbildung erhalten, um gewappnet zu sein für alles, was dir im Kampf gegen Himmel und Hölle begegnen wird.«
    Die Schleier vor Nandos Blick zerrissen. Sie befanden sich auf einem riesigen sternförmigen Platz, der von weißen Perlmuttplatten bedeckt wurde, und ganz in der Nähe zog ein Ausläufer des Schwarzen Flusses vorüber. Wie ein gigantischer Banyanbaum erhob sich der Turm auf dem Platz. Seine weiße Haut zog sich in dicken Wurzeln über ein Gebäude aus Glas und glänzendem Holz. Es wurde von tanzendem grünen Feuer überzogen wie von einer dünnen Schutzschicht. Die zweiflügelige Eingangstür aus geschliffenem Glas erhob sich ehrfurchtgebietend über einer breiten, geschwungenen Treppe, die von den wurzelartigen Auswüchsen des Mal’vranons umrahmt wurde. Säulen säumten die gläserne Veranda, und etliche Erker und Balkone ließen das Gebäude wirken wie ein zusammengeflicktes Sammelsurium verschiedenster Architekturen und Ideen. Wie ein geborstener Kristall ruhte es inmitten der steinernen Finger des Mal’vranons, und aus den Fenstern, die in unterschiedlichster Form und Größe zwischen den Steinwurzeln hervorlugten, fiel das grüne Licht. Bäume mit tiefblauen Blättern, die wie Farne von den Ästen hingen, säumten den Weg hinauf zur Treppe, und als Nando ihn hinter Antonio hinaufging, fühlte er sich aus den Fenstern wie aus tausend Augen beobachtet. Vorsichtig berührte er die Fassade des Turms, die glänzte wie weißes Fleisch, und war beinahe erstaunt, als er die kühle, harte Haut des Felsens unter seinen Fingern spürte. Die Tür öffnete sich unter Antonios Griff, und Nando fühlte ihn sofort: den

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