Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
Vom Netzwerk:
drei: »Alle Information soll frei sein«, dann kann das der Menschheit nur zum Vorteil gereichen. »Nur auf enthüllte Ungerechtigkeit kann man antworten; damit der Mensch intelligent handeln kann, muss er wissen, was tatsächlich vor sich geht«, schrieb er Ende 2006, kurz nach der Gründung von WikiLeaks. Assange geht allerdings in seiner Interpretation deutlich weiter, als sich Levy das wohl gedacht hatte.
    Autoritäre Regime, so Assange, basierten stets auf »verschwörerischen Interaktionen innerhalb der politischen Elite, nicht nur um Vorzüge und Privilegien innerhalb des Regimes zu erreichen, sondern als die primäre Planungsmethode zur Erhaltung und Stärkung autoritärer Macht«. Den Aufsatz mit dem Titel »Verschwörung als Regierungsform« verfasste Assange in der dunkelsten Phase der Ära George W. Bush, zweifellos unter dem Eindruck von Guantanamo, Abu Ghureib, den Kriegen in Afghanistan und Irak und Berichten über geheime Foltergefängnisse auf dem Staatsgebiet von Verbündeten der USA. Er lässt darin keinen Zweifel daran, dass er auch die USA für eines dieser »autoritären Regime« hält. Und er betrachtet Information explizit als Werkzeug radikaler politischer Veränderung: »Ungerechte Systeme« seien durch massenweise Datenlecks »besonders verwundbar denen gegenüber, die sie durch offenere Formen des Regierens ersetzen wollen«. Assange nahm den an sich politisch neutralen Ansatz der Hacker-Ethik und verwandelte ihn mit wenigen kognitiven Winkelzügen in eine explizit politische Handlungsanweisung.
    Diesen Weg verfolgte WikiLeaks von Anfang an, von der Weltöffentlichkeit zunächst weitgehend unbemerkt. Einige Veröffentlichungen sorgten für lokal begrenzten Wirbel, etwa als interne Papiere der Scientology-Sekte oder ein Bericht über Korruption in Kenia veröffentlicht wurden. Auch in die weltweite Debatte um Internetsperren gegen Kinderpornografie griff WikiLeaks ein: Auf der Plattform wurden die Sperrlisten mit Internetadressen veröffentlicht, die in Thailand, Dänemark, Norwegen und Australien zur Filterung des Internetverkehrs eingesetzt wurden. Dabei zeigte sich, dass auf diesen Listen bei weitem nicht nur Websites auftauchten, die Kinderpornografie vorhielten. Die Liste aus Thailand beispielsweise umfasste Hunderte Seiten, auf denen die dortige königliche Familie kritisiert wurde. Auf der australischen Sperrliste fand sich neben Poker-Websites, Wikipedia-Einträgen und YouTube-Links die Websites eines Zahnarztes und weiterer völlig harmloser Unternehmen.
    Globale Aufmerksamkeit aber errang die Plattform erst Anfang April 2010. Damals veröffentlichte WikiLeaks ein Video, das zeigte, wie die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers in den Straßen eines Vororts von Bagdad mit der Bordkanone auf Menschen schießt. Zwei der Getöteten arbeiteten für die Nachrichtenagentur Reuters. Die Agentur hatte lange Zeit vergeblich versucht, auf offiziellem Weg an das Videomaterial aus der Bordkamera des Hubschraubers heranzukommen. Nun war das Video entschlüsselt und öffentlich, es wurde mit flankierenden Informationen über die Opfer und die Vorgeschichte des Einsatzes präsentiert. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur die beiden Reuters-Mitarbeiter zu den unschuldigen Opfern des Angriffs gehörten. In einem Minibus, mit dem eilig Verletzte von der Straße geholt werden sollten und der nun ebenfalls beschossen wurde, saßen zwei Kinder. Sie überlebten den Angriff schwer verletzt. All das dokumentierte WikiLeaks in der bis dahin aufwändigsten Veröffentlichung der Plattform unter dem Titel »Collateral Murder«. Spätestens seit dieser Aktion steht die Enthüllungsplattform auf der schwarzen Liste von US-Geheimdiensten und Militärs. Die CIA hatte schon zuvor nach Wegen gesucht, um WikiLeaks auszuschalten – das Dokument, das dies belegt, tauchte prompt im Netz auf. Assange reiste rastlos kreuz und quer um den Globus, schlief auf Sofas und Gästebetten in den Wohnungen von Bekannten und Sympathisanten. Sein radikaler Ansatz begann Wirkung zu zeigen. In seinen Augen aber noch nicht genug.
    Für die nächsten umfangreichen Veröffentlichungen schmiedete der Australier deshalb Allianzen mit internationalen Medien: dem britischen »Guardian«, der »New York Times« und dem SPIEGEL, später mit weiteren Zeitungen und T V-Sendern, darunter »Le Monde« aus Frankreich« und »El Pais« aus Spanien. Mit wenigen Monaten Abstand erschienen Berichte über die Kriege in Afghanistan und im Irak,

Weitere Kostenlose Bücher