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Nero Corleone

Nero Corleone

Titel: Nero Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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langes schönes Katerleben hatte leben dürfen. Isolde hatte die Fenster weit geöffnet, packte die Koffer aus und hörte laut Musik von Rossini.
    »Kater bei Rossini«, dachte Nero schläfrig, »das war auch was gewesen.« Dazu muss man wissen, dass Rossini nicht nur ein wunderbarer italienischer Komponist war, sondern auch ein großartiger Koch. Noch heute sind ja die Tournedos á la Rossini nach ihm benannt. Die Vorstellung von Musik und guter Küche hatte für einen wie Nero Corleone etwas Unwiderstehliches. Isolde kochte zwar redlich und großzügig, aber doch ohne besondere Raffinesse. Na ja, er hatte sich ja bei Feinkost Bollmann immer das besorgt, was zum Luxusleben nötig gewesen war.
    An all das dachte er hier hinter der Haselnusshecke mit Blick auf seine alte bäuerliche Heimat, die ihm kleiner schien als damals und doch so vertraut.

U nd plötzlich stupste ihn jemand an. Er erschrak fürchterlich, denn das war ihm, dem großen wachsamen Corleone, noch nie passiert, dass ihn jemand unbemerkt angeschlichen hatte. Sein Fell sträubte sich, er sprang auf, fuhr seine Krallen aus und ... schaute in die liebsten, rundesten, bernsteinfarbensten Augen, die er je gesehen hatte, in ein kleines graues Katzengesicht, auf ein liebes Katzenköpfchen, auf ein zierliches, graues, zauberhaftes kleines Kätzchen, ein wunderschönes Katzenfräulein. Da saß es vor ihm, brav und freundlich, und schnurrte mit einem süßen Stimmchen: »Wer bist du denn?«

    Oh, diese Liebe auf den ersten Blick! Ein armer Wicht, wer das nie erlebt hat. Es ist wie ... ja, wie was? Wie ein Blitz, wie ein Donnerschlag, das Herz bebt, die Hände werden kalt und die Füße auch, weil alles Blut zum Herzen fließt. Im Kopf macht es nur noch blöde klopf-klopf-klopf, und ohne dass man irgendetwas dagegen machen könnte, breitet sich im Gesicht ein einfältiges Lächeln aus. Die Welt steht still, und doch fühlt man zum aller ersten mal, dass sie sich dreht und dass man ein ganz wichtiger Teil von ihr ist, im Moment der allerwichtigste, sozusagen der Punkt, an dem die ganze Welt befestigt ist — all das passierte in diesem Augenblick und beim Anblick dieser kleinen grauen Katze mit den sanften Sternenaugen mit unserem Nero Corleone. Eiskalte Pfoten, glühendes Herz, ein Krächzen im Hals. »Ich bin ...«, wollte er sagen, aber es klang wie raues Husten, und so tat er, als müsse er sich räuspern, und legte sich wieder hin. »Ich bin ich, und wer bist du?« sagte er von oben herab, aber seine Stimme zitterte.
    »Ich bin die Grigiolina, so nennen sie mich da drüben jedenfalls, die kleine Graue.«
    »Du bist von dort?« fragte er und zeigte mit seiner weißen Pfote hinüber zum Hof. Die Grigiolina nickte. »Ja«, sagte sie, »und weißt du was? Sie erzählen immer davon, dass es mal einen gab, der ganz schwarz war und nur eine einzige weiße Pfote hatte, die aber in allen finsteren Geschäften gesteckt hätte —« Sie lachte hell auf. »Er muss ausgesehen haben wie du, aber er ist schon vor vielen Jahren nach Deutschland gegangen.«
    Nero sah die Grigiolina aufmerksam an. Sie hatte die Augen der Madonnina, sie hatte Rosas liebes Gesicht und das schöne Fell der kleinen Kleist — oh, wie verliebt er war! Was sollte er ihr nur antworten? Er war doch sonst gewitzt und schlagfertig, warum fiel ihm denn nun so gar nichts ein?
    »Erzähl weiter«, bat er.
    »Ach«, maunzte sie und leckte mit ihrer kleinen rauen Zunge zärtlich über Neros Kopf, dass er erschauerte, »da gibt es nicht viel zu erzählen. Sie sprechen einfach alle von ihm. Ich weiß es von meiner Mamma, die weiß es von ihrer Mamma, der Esel hat ihn gekannt, und ein ganz altes Huhn ist da, Camilla, und Camilla erinnert sich noch genau an ihn. Sie nannten ihn Don Nero Corleone.«
    Und sie putzte sich und ihn und schnurrte und sah ihn lieb an. »Und du«, fragte sie, »wie heißt du?«
    Nero seufzte tief und schloss die Augen. Sein Herz pochte zum Zerspringen. Sein ganzes Leben rollte vor ihm ab, die Vergangenheit und auch die Zukunft, die Jugend dort auf dem Hof, die Jahre in Deutschland, wo er Freunde gefunden hatte und eine Vorstellung vom Alter, hier, auf seinem Bauernhof, an der Seite dieser kleinen bezaubernden Katze.
    »Grigiolina«, sagte er ernst und mit seinem tiefsten Katergrollen und legte der Grauen seine weiße Pfote fest auf den kleinen Kopf: »Spring hinüber und sag es allen: Don Nero Corleone ist zurückgekehrt.«

I n den nächsten Tagen verließ Nero kaum das Haus auf dem

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