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Nero Corleone

Nero Corleone

Titel: Nero Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Karl konnte es riskieren zu sagen: »Nero, komm, wir machen noch ein bisschen Musik.« Und dann zogen sie in Kagels Haus und legten sich quer über die Klaviertasten, dass Frau Kagel oben aus dem Bett fiel vor Schreck.
    Dann und wann gab es Kämpfe. Da wollte sich doch Timmi tatsächlich an die kleine Kleist ranmachen, da jagte der Generalshund ohne Leine hinter der alten Klara her, da kam ein Hund zu Besuch, der sich an gewisse Regeln nicht halten wollte, oder da musste eine besonders freche, große Elster zur Vernunft gebracht werden — immer hatte Nero seine weiße Pfote mit im Spiel, und manches Mal kam er erst gegen Morgen zerrupft, nass, dreckig nach Hause, und Isolde seufzte: »Wo du dich nur immer herumtreibst, mein Täubchen.«
    »In der Welt, mein Engel«, gähnte Nero, »in der Welt der Männer und der Kämpfe, von denen du keine Ahnung hast.«
    Manchmal brachte er ihr eine besonders große Maus mit dichtem Fell mit, warf sie ihr vor die Füße und gurrte: »Da, Schönste, näh dir ein Krägelchen!«, bevor er sich in Isoldes Bett zusammenrollte und sie noch rufen hörte: »Oh! Das hab ich doch eben erst frisch bezogen ... na, egal, schlaf du nur gut, mein kleines Prinzchen.«

U nd so gingen die Jahre ins Land. Roberts Haare wurden dünner und seine Brillen dicker, Isolde lernte es endlich doch noch, Pfannkuchen zu backen, die nicht in der Pfanne klebenblieben, und Nero und Rosa waren so glücklich, wie Katzen nur sein können. Ab und zu mussten sie zwar Kleinigkeiten erleiden — eine Fahrt zum Tierarzt, eine Impfung, zwei Wurmkuren im Jahr mit einer ekelhaft schmeckenden Paste, und im Sommer gab es scheußlich riechende Zeckenhalsbänder, die Nero allerdings meist sofort von Karlheinz durchbeißen ließ. Aber alles in allem war die Welt wohlgeordnet. Ein-, zwei-, dreimal im Jahr fuhren Isolde und Robert nach Italien, und dann kam Frau Wiegand, um Haus, Garten und Katzen zu hüten. Auch Frau Wiegand hatte man, wie Nero gern sagte, fest in der Pfote. Man konnte sie sozusagen um die Pfote wickeln, Frau Wiegand tat alles für ihre beiden kleinen Lieblinge. Sie schnitt die Rinderleber nicht nur in häppchengerechte Stücke, nein! Sie briet sie auch in guter Butter an. Bei Frau Wiegand gab es nicht nur morgens um neun und abends um sechs einen Teller mit Futter, nein! Auch mittags wurden kleine Häppchen gereicht, denn, so sagte Frau Wiegand gern: »Hunger tut so weh!« Sie kaufte frische Fische auf dem Markt, und abends durfte Rosa nicht nur auf ihrem Bett, nein! sogar unter ihrer Decke schlafen, was bei Isolde dann doch nicht erlaubt war. Das heißt, Isolde hätte es vielleicht noch geduldet, aber der klassische Satz von Robert bei solchen Ansinnen lautete: »Sonst noch was.«
    Rosa wurde immer runder, Nero bekam erste graue Haare neben der Nase und lag jetzt schon mal stundenlang unter dem Pflaumenbaum und träumte. Niemand wagte es, ihn dabei zu stören — eins von seinen Mädchen oder seinen vielen Kindern saß immer in der Nähe und bewachte seinen Schlaf. Karlheinz war eines Winters gestorben. Fräulein von Kleist war zu Neros großem Kummer mit der Karthäuserin weggezogen, ins vornehmere Düsseldorf. »Adieu, kleine Kleist«, hatte Nero traurig gesungen, » ciao, bella , ich werde dich nie vergessen.« Noch öfter lag er seitdem mit Kagels Kater Karl in den dicken Ledersesseln, schaute sich im Fernsehen alte Filme an und hörte Isolde, die rufend durch die Siedlung irrte. »Verstehst du die Frauen?« fragte er Karl. »Ich nicht. Sie haben etwas Unruhiges, finde ich.«

E ines Tages wurde Rosa krank. Es fing an mit einem Husten. Sie bellte kratzig, fast wie ein Hund, und natürlich stopfte Isolde sie in den Katzenkorb und fuhr mit ihr zu dem Tierarzt mit den hohen Rechnungen. Es gab eine Spritze, Pillen und Stubenarrest. Aber der Husten wurde nicht besser, und dann kam noch eine Halsentzündung dazu, und Rosa, ausgerechnet Rosa konnte nicht mehr fressen und magerte ab. Was für ein herzzerreißend trauriger Anblick! »Sie ist alt«, sagte der Doktor, »wir müssen abwarten, ob sie es schafft.«
    Sie schaffte es nicht. Nächtelang saß Isolde an Rosas Körbchen, eine Heizdecke wurde angeschafft, Hackfleischbällchen mit Vitaminpulver gerollt, aber eines Morgens war es aus: die kleine gar nicht mehr runde Rosa schloss für immer ihre schielenden blauen Augen, seufzte und schnarchte noch einmal tief und hörte dann einfach auf zu atmen. Sie hatte die Zungenspitze zwischen den Zähnen, wie früher,

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