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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Freundschaft. Aber ich weiß eine Schar, die mich schwerer verletzt hat und wildere Qual mir ins Herz geträuft, als die senatorischen Jünglinge, die mich zu stürzen trachten: die Nazarener!«
    »Beim Zeus,« rief Poppäa, seine Rechte ergreifend, »dieser Gedanke ist groß! Seit den Edikten, die man dir abgepreßt, hat sich die Sippschaft der Nazarener gründlich verhaßt gemacht. Je mehr ich's erwäge, um so glücklicher und genialer bedünkt mich der Einfall. Ja, ich spüre fast Lust, ihn für wahr zu halten. Du hast das Rätsel gelöst, Imperator. Die Nazarener sind die Verbrecher. Sie haben vollenden wollen, was sie uns längst prophezeit haben.«
    »Meinst du?« lächelte Nero ungläubig.
    »Ich bin klar davon überzeugt. Hast du niemals gehört, daß einer der Hauptverkünder des Nazarenertums, Paulus mit Namen, dem Pöbel vorschwatzt, der Gott der Christen werde in kurzem die Welt in Asche verwandeln und dann Gericht halten über alle menschlichen Kreaturen? Das ›ewige Feuer‹ ist ein Schlagwort des Christentums: Paulus hat es den Reichen und Mächtigen dieser Erde vielhundertmal prophezeit. Ueberrascht es dich da, wenn die ungeduldige Rotte, die schon längst den Göttern Roms nicht mehr opfert, nun endlich die That begehrt und selber Hand anlegt, sie zu verwirklichen?«
    »Weiß man im Volke von diesem Trachten der Nazarener?«
    »Unzweifelhaft. Ihre Phrasen, anfangs belacht, dann bekrittelt und als dreiste Ungeheuerlichkeiten verdammt, gehen von Mund zu Mund. Wirf das Wort nur hinaus: die Menge wird's aufgreifen, wie etwas lange Erwartetes!«
    »Wohlan denn –« sagte der Kaiser gedankenvoll.
    Poppäa schritt ihm voraus, der Treppe zu. Er aber starrte noch immer ins tobende Glutgewoge.
    Die Nazarener! Einst war ihm dieser Name vertraut gewesen. Er hatte Ideen damit verknüpft, hochfliegende, weltbewegende Pläne, bis er die Jünger des Zimmermannssohnes hassen gelernt, – nicht nur, weil er erkannte, daß er durch sie und den fanatischen Nicodemus zum Sklaven der Staatsräson und zum Verächter der eigenen Natur geworden, sondern mehr noch, weil Nicodemus in der Verfolgung tollkühner Ziele ihm das Glück seines Lebens geraubt hatte. Acte wäre niemals entwichen, hätte der Wahnwitz des Nicodemus sie nicht zum Werkzeug unerhörter Projekte entwürdigt. Wie anders jedoch würde sich das Leben des Kaisers gestaltet haben ohne die scheue Flucht jenes Mädchens, dessen Angedenken noch jetzt eine so unwiderstehliche Macht über ihn ausübte! Er wäre niemals der Gatte Octavias und somit niemals jener zwiespältige, im tiefsten Innern zerrüttete Mensch geworden! Ja, er haßte die Nazarener! Ihr Urbild war für seine abgemarterte Phantasie der hagere, ewig-unruhige, augenrollende Nicodemus. Diesem einen glichen sie alle, alle, und so litten sie nach Verdienst, wenn er sie jetzt dem Volke preisgab als die Zerstörer der ›großen Königin‹.
    Er eilte die Treppe hinab. Die Toga majestätisch um die Schultern geschlagen, trat er in das Vestibulum.
    »Was wollt ihr?« fragte er trotzig, da die Menge bei seinem Erscheinen verstummte.
    »Rache! Rache an den bübischen Mordbrennern!«
    »Kennt ihr sie?« fragte der Kaiser.
    »Du sollst sie uns nennen!«
    »Wohl, ich nenne sie euch. Sie sollen büßen, wie niemals ein Verbrecher gebüßt hat, seit unser Ahnherr Aeneas die Scholle von Latium betrat. Die Christen sind die Urheber unsres Verderbens. Geht und verhaftet die Christen!«
    »Die Christen!« brüllte es tausendstimmig um die brennenden Hügel. »Holt sie aus ihren Winkeln hervor! Dringt in die Steinbrüche, wo sie die Götter und den Thron der Cäsaren lästern! Im dichten Gewimmel sucht sie – hier – da – dort! Das ist Phlegon, der Blumenhändler! Saht ihr nicht in dieser Minute noch Epenätus, den Liebling des kilikischen Paulus, den sie Apostel nennen? Dort der Schlanke ist Artemidorus, der Freigelassene des Flavius Scevinus! Dies Tryphena und ihre Schwester! Schlagt sie zu Boden! Werft sie ins Feuer, blindlings und ohne Wahl, Männer, Weiber und Kinder!«
    »Halt!« gebot der Kaiser, die Rechte erhebend. »Keiner thue den Ueberführten ein Leids an! Laßt diesen Brand erst bewältigt sein: dann will ich drüben in meinen Gärten, wo ich jetzt für die Obdachlosen Baracken und Zelte errichten lasse, den Römern ein Fest geben, und Geldes genug verteilen, daß ihr das Niedergestürzte neu wieder aufbauen könnt. Bei diesem Fest nun sollen die Missethäter gezüchtigt werden. Ihr sollt Dinge

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