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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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erleben, wie sie bis jetzt kein Fürst euch geboten hat. Die blutigsten Tierhetzen, die rasendsten Kämpfe der Gladiatoren sind Knabenspiele im Vergleich mit dem, was ich plane. Jetzt verliert nicht den Mut! Hört nicht auf die Stimmen der Schleicher, die den Princeps und sein geliebtes Römervolk ruchlos entzweien möchten! Ringt und schafft, und betet zu Jupiter, daß er endlich den Flammen Stillstand gebiete!«
    »Ave Cäsar!« rief die tosende Menge. »Heil dem Göttlichen, der da Segen spendet und Schutz, – und seine Quiriten freundlich zu Gaste lädt!«
     

Elftes Kapitel
     
    Der Brand war vorüber. Zehn Tage lang hatte er wie ein rasendes Tier durch die Zweimillionenstadt hingewütet und zwei Drittel davon erwürgt.
    Jetzt endlich glomm es nur noch insgeheim unter den Schutthaufen. Aschfahle Rauchsäulen stiegen lotrecht zum glühenden Sommerhimmel empor – die letzten Verkünder einer sterbenden Elementargewalt.
    Beim Morgengrauen des elften Tages trat Nero, wie er dies während des Brandes so oft gethan, wieder hinaus auf die Plattform des mäcenatischen Turmes.
    Er gedachte der Abendstunde, da er beim Anblick der brennenden Urbs die Kithara geschlagen. Das Feuer in seiner wildverzehrenden Kraft, vom Sturme gepeitscht, prunkvoll dahinwogend über das endlose Häusermeer, hatte ihn damals berauscht. Er wähnte sich in der Rolle des Zeus, der, den Donnerkeil in der Rechten, mit zerschmetternden Blitzen die lebendige Erde bis hinauf zu den Höhen des Olympos in Lohe setzt. Diese Stadt flammte für ihn; sie zeigte, daß Rom stürzen konnte, und daß dennoch der Welt nichts verloren ging, wenn nur er, der Gewaltige, feststand auf dem Piedestal seiner cäsarischen Gottheit.
    Jetzt aber, da er, die Schwüle des Lagers fliehend, hoch an der Brüstung lehnte und nahezu alles, was noch vor kurzem der Schauplatz sorgloser, vergnügungssüchtiger Menschen gewesen, in rauchendem Schutt erblickte: da ergriff ihn etwas wie Groll gegen die Götter, die er nicht glaubte, etwas wie Haß gegen das unbesiegbare Fatum. Diese starre Notwendigkeit glich in ihrer entsetzlichen Willkür einem frevelnden Knaben, der boshaft ein blühendes Beet zertritt, ein Gemälde besudelt, eine kunstvolle Statue zerschlägt. Das Fatum, die Anangke, die Moira, war der einzig echte Herrscher des Universums, mächtiger nicht nur als der geträumte Jupiter, sondern sogar als er, Claudius Nero, der bis dahin vermeint hatte, alles, vom Steingefilde Arabiens bis zu den Säulen des Herkules, unter sein Joch zu beugen. Er hatte mit diesem Fatum gerungen; das Ergebnis des ungleichen Kampfes lag vor ihm: ein unermeßliches Chaos, schwarzgraue, qualmende Trümmer, – ein Anblick, schauderhafter als der eines leichenbesäten Schlachtfeldes.
    Wenn das Fatum sich anmaßte, so ins Blaue hinein zu toben wie ein bezechter Schurke, wenn es ihm tausend Hemmnisse da in den Weg legte, wo er das Gute wollte: weshalb sollte der Cäsar, im Besitze der obersten Herrschergewalt, an Kühnheit und Großartigkeit seiner Willkürpläne hinter dem Fatum zurückstehen? Unschuldige und Schuldige hat das große Verderben hinweggerafft. Auch Nero wollte jetzt ein Verderben sein für die Menschheit, nur mit dem Unterschied, daß er noch edler fühlte als jene Schickung, die ihm Seneca einst mit dem unbegreiflichen Namen ›Vorsehung‹ zu bezeichnen gewagt hatte.
    Die Opfer des Nero sollten nicht blindlings fallen, wie die des Fatums, sondern nach wohlerwogenen Grundsätzen. Er schlachtete sie zunächst seinem Hasse, dann aber auch, wie er zögernd sich eingestand, seiner Sicherheit.
    Das Volk, so sehr sich der Imperator bemüht hatte, das öffentliche Unglück zu lindern, insbesondere auch durch eine trefflich organisierte Zufuhr der nötigen Lebensmittel, tobte dennoch vor nicht zu stillender Wut über die furchtbare Katastrophe, und heischte mit Ungestüm ein Sühnopfer, das dem Mißgeschicke der Siebenhügelstadt an Großartigkeit gleichkäme.
    Geizte Nero mit der Befriedigung dieser Rachlust, so lief er Gefahr, daß der Unwille der entfesselten Menge bis zu ihm selber heraufzischte.
    Auch dieser Unwille wäre das Fatum gewesen, – eine veränderte Form nur der nämlichen, Göttern und Menschen verhaßten Anangke, die Rom in Asche gelegt.
    Mit der Anangke jedoch war nicht zu ringen. Er konnte sie nur verhöhnen, ihr durch listige Kunstgriffe ausweichen oder vielleicht – und das war eines Weltbeherrschers am würdigsten – ihre schwindelerregende Brutalität

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