Nero
die er durch die Feierlichkeit dieser Handlung geistig vernichtete.
»Du wirst hungrig sein,« sprach er mit beinahe zärtlicher Fürsorge. »Da kömmt Lesbia mit ihren Schüsseln! Sie hat dir einiges warm gestellt, Acte! Iß, trink' und erzähle dann!«
Acte setzte sich auf die Kante des Speisesofas, wo sonst Nicodemus, halb liegend, sein Mahl genoß.
»Iß, iß!« wiederholte er freundlich. »Du mußt ja halbtot sein. Wahrhaftig, deine Hände sind kalt, wie Eis. Hier – der schöne Vesuvwein . . . ich hab' ihn eigens für dich aus dem Keller geholt . . . der wird dir gut thun, Acte. Du scheinst sehr übermüdet.«
»Das bin ich auch,« sprach sie und führte hastig den ehernen Becher zum Munde. »Verzeih, daß ich nicht gleich von dem Zelt des Aegypters aus mit dir heimkehrte . . .«
»Im Gegenteil,« schmunzelte Nicodemus. »Ich danke dir, daß du das heilige Werk, dem du obliegst, gar so eifrig und ernst nimmst. Ich habe gesehen, wie der Cäsar dir gegenüber stand. Wenn du klug bist, hat Nicodemus und mit ihm der göttliche Galiläer gesiegt, ehe zum zweitenmal sich der Mond füllt.«
Acte, sich nur noch mühsam beherrschend, schüttelte traurig den Kopf.
»Nein, Herr!« sagte sie dumpf. »Zürne mir nicht – um Jesu Christi willen – aber es geht nicht!«
»Was geht nicht?«
»Daß ich . . . daß ich den Kaiser Nero bekehre.«
»Du
hast
ihn bekehrt, wenn du nur folgegerecht ausnützest, was dir das Schicksal fast in den Schoß geworfen. Er war die Huld und die Güte selber . . .«
»Ebendeshalb. Er hat mir sogar die Hände gedrückt, und mir angetragen, seine herzliebe Schwester zu sein . . .«
»Was?«
»Nun ja, das waren just seine Worte. Und ins Palatium lädt er mich ein, und was ich geredet habe, scheint ihm das klare Echo seiner eigenen Gedanken . . .«
»Aber das ist ja ein wunderbarer Triumph, Acte! Das ist die Eroberung Roms, das Kreuz Jesu Christi aufgepflanzt auf die Zinnen des Kapitols . . .«
»Das ist das Ende unsrer freudigen Hoffnungen,« flüsterte Acte. »Herr, ich muß dir den letzten Zweifel benehmen: ich werde den Kaiser nicht wiedersehen.«
»Bist du toll, Mädchen?«
»Gott sei Dank, nein! Seit lange war's nicht so klar in meiner Seele, wie jetzt. Ich will offen und ehrlich sein, denn ich bin dir zu Dank verpflichtet. Du sollst nicht wähnen, Acte zerstöre aus Eigensinn, was du so klug und so redlich gesponnen hast. Ich . . . ich . . .«
Sie stockte. Eine brennende Schamröte flammte über ihr Antlitz, während Nicodemus bleich und geöffneten Mundes ihr zuhörte.
»Ich fühle,« sagte sie endlich, »daß ich die Rolle, die du mir zugeteilt hast, nicht durchführen kann, ohne mich selbst zu verlieren. Ihr alle behauptet, es wohne mir etwas inne, was mehr überrede, als die begeisterndsten Worte des Presbyters . . . Ich weiß nicht, ob ihr euch hierin täuscht. Das aber weiß ich, daß mich der Cäsar mit andern Blicken betrachtet hat, als irgend wer, den ich dem Christentum zu gewinnen suchte . . .«
»Nun, und was folgt daraus?«
»Einfach, daß er . . . daß er mich lieben würde . . .«
»Um so besser!«
»Nicht um so besser; denn auch ich würde ihn lieben. Ja, ich liebe ihn, Herr!«
»Das ist rasch gegangen!« lachte der hagere Nazarener ingrimmig. »Gleichviel: was soll dies abgeschmackte Bekenntnis? Lieb' ihn, so viel du begehrst, – aber thu' deine Pflicht als Verbreiterin unsres göttlichen Glaubens!«
»Dazu fehlt mir die Kraft.«
»Elende!« fuhr Nicodemus heraus. »Hat nicht Christus gesagt: ›Ihr sollt das Irdische abthun um des Ewigen willen!‹? Befiehlt er uns nicht, unser Fleisch zu kasteien und die Sinne zu meistern, wenn sie uns ablenken wollen vom Pfade des Rechts und der Tugend?«
»Eben das will ich,« gab ihm Acte zurück. »Folgte ich meinem Sehnen, so würde ich in dieser Minute noch aufbrechen . . . Ihm nach – in seine Arme, an seine Brust, die so voll ist von allen Hochgefühlen des Schönen und Edlen, – das wäre der Drang meines sündigen, pflichtvergessenen Wollens. Da ich aber in Schande und Schmach sinken würde, wenn ich dem nachgäbe, so steht mein Entschluß fest. Keine Macht dieser Erde soll mich bewegen, den Mann je wieder zu sehen, dessen Nähe mich so zu vernichten droht.«
»Und wenn er selbst es befiehlt?«
»So sterbe ich lieber, eh' ich ihm Folge leiste. Ueber vieles hat der Cäsar Gewalt; den Tod aber kann er keinem verwehren, der den Mut dazu hat.«
Nicodemus
Weitere Kostenlose Bücher