Nero
Wenn
sie
nun die Absicht hätte, dies Heiligtum rückhaltslos aufzugeben? Wenn sie flüchten wollte, so daß ich inmitten dieses cäsarischen Glanzes allein stünde . . .?«
»Das wird sie nicht! Aber jetzt biegen wir ein . . . Das ist die Via Sacra . . . Und dort, vom Tempel der Dioskuren beschirmt, ragt die ehrwürdige Hofburg der Imperatoren zum Himmel auf. Die Hofburg meines glühend geliebten Nero!«
Plötzlich fuhr sie zurück.
»O, wie verdrießlich!«
»Was hast du?« fragte der Imperator.
»Das war Pallas, der Vertraute der Kaiserin-Mutter. Er kam unmittelbar an unsrer Lectica vorüber. Er hat mich erkannt.«
»Du bist ja verhüllt, wie ein ägyptisches Zauberbild.«
»Nicht ganz so, – und Pallas hat scharfe Augen, Ich erzählte dir schon . . .«
»Ja, du erzähltest mir, daß auch er sein Antlitz emporgehoben zu der himmlischen Acte. Wie muß er unglücklich sein! Ich beklag' ihn aus vollstem Herzen.«
»Gleichviel, er hat mich erkannt, und ich fürchte . . .«
»Was denn, mein zaghaftes Reh?«
»Er wird uns zu schaden suchen . . .«
»Bin ich nicht Kaiser?«
»Das wohl . . . Aber gerade als Kaiser hast du schon Feinde genug, so daß ich's für überflüssig erachte, auch dem Privatmanne Widersacher zu schaffen, – dazu noch so unheimliche, wie diesen finsterblickenden Pallas.«
»Du überschätzest ihn. Zudem, wenn er dich auch erkannt hätte, wüßte er dann etwa sofort, wer dein Begleiter wäre? Verlaß dich darauf, seine Vermutung, ich sei in die Freigelassene des Nicodemus verliebt, war nur ein ganz vorübergehender Einfall. Er sucht seinen Rivalen wo anders. Daß er
dir
aber auch nur ein Härchen deines goldschimmernden Hauptes krümme, das wird Claudius Nero zu hindern wissen.«
»Du hast recht,« flüsterte Acte. »Frisch und vertrauend, das sei unser Grundsatz! Allgütiger Himmel, wie schön das ist! Das ganze Marsfeld ein einziger, blütenbesäter Garten! Dort die Platanen, die Steineichen! Hier die flammigen Blumen zwischen den Rasengründen! Und hier die Buchsbaumfelder mit ihren künstlich ausgeschnittenen Figuren!«
»Siehst du dort das riesige C. N. C. – vor den Säulen der Marmorhalle?«
»Das bedeutet ›Claudius Nero Cäsar‹!« jubelte Acte. »Die ganze Pracht und Herrlichkeit dieser Welt scheint nur dazu da zu sein, um dir zu huldigen, mein Einzig-Geliebter!«
»Und doch bist du in all dieser Pracht die einzige Perle, die mich wahrhaftig beseligt.«
Sie sah zu ihm auf.
»Ist's auch wahr?« fragte sie schalkhaft.
»So wahr die Maisonne uns zu Häupten, und ein ewiger Frühling uns in den Herzen glüht! Acte, Acte, mit Worten ist's ja nicht auszusagen, wie ganz und gar ich ein andrer geworden, seit du mich liebst! Ich verstehe jetzt die Natur und mich selbst; das ewige Sehnen, das durch den Weltraum geht, ist mir kein Rätsel mehr. Und so glaube ich auch: die Sehnsucht, das Verlangen, der Wille nach Glück ist der einzig wahrhaftige Kern unsres Wesens. Leben ist Lieben, Leben ist Wollen. Und lehrt ihr Nazarener denn etwas andres, wenn ihr dies Wollen noch hinausverlegt über die Todesstunde, wenn ihr ein ewiges Wollen, ein ewiges Leben hofft?«
Acte, von unsäglicher Lust durchschauert, lehnte ihr bänderumflochtenes Köpfchen an seine Schulter.
»Dort ist das Zelt des Aegypters,« fuhr Nero in verändertem Tone fort. »Wenn ich bedenke, wie dreist der pfiffige Nicodemus über dein Glück verfügte! Schmachvoll! Der Gerechte und Weise hatte nur außer Betracht gelassen, daß ein reines Mädchenherz keine Ware ist, die man verschachert, sondern ein Schatz, der sich aus freiem Antrieb verschenkt . . .«
»Nein, nicht aus freiem Antrieb, sondern weil ihm die Liebe ihr unabweisbares Joch auferlegt. Ach, ich liebte dich wie von Sinnen . . . Hättest du damals mich bei der Hand gefaßt, – ich wäre dir blindlings gefolgt bis ans Ende der Welt . . .«
»Ja, ich hab' es versäumt . . .« murmelte Nero betrübt.
Dann sich aufraffend: »Schäme dich, thörichter Knabe! Alles besitzest du, und willst Nänien und Trauergesänge anstimmen? Laß uns fröhlich sein, Acte! Laß uns die Gegenwart voll und verschwenderisch auskosten! Wehmütige Gedanken sind albern, wenn Liebe bei Liebe ist. Ja, dort steht das Zelt des Aegypters, – aber ich lache darob! Bin ich nicht tausendmal glückseliger als im verwichenen Herbst? Weiß ich nicht, was ich damals nicht ahnen konnte: daß du mich liebst?«
»So gefällst du mir! Ach, wie es hier
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