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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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lassen, Phaon, du beherrschest die Umgangsformen! Der Flegel inzwischen – wie verdaute er diesen Brocken?«
    »Er stürzte mit einer gewissen Heftigkeit über mich her, packte mich vor der Brust, empfing einige Faustschläge und brüllte dann zornig: ›Willst du gar den Beleidigten spielen, du erbärmlicher Kuppler? Ich stehe hier im Namen höherer Gewalten, die dich zerschmettern können!‹ – ›Noch ein Wort, und ich hau' dich fünf bis sechsthalb Klafter tief in den Boden hinein!‹ rief ich erbittert. Da sah er, ich war keiner von denen, die sich ankläffen lassen, und so ward er denn höflicher. Nach einigem Hin und Her gab er mir eine doppelt umschnürte Wachstafel. ›Die Sache eilt außerordentlich‹, fügte er ernsthaft hinzu. ›Das Wohl und Wehe des Cäsars hängt von der pünktlichen Einlieferung ab! Fliege also – und tritt auf wie ein Siegesgewisser!‹ Verzeih mir – so bin ich denn hergelaufen, deinem Gebote zum Trotz; denn ich dachte, möglicherweise hat es doch vielleicht Eile damit, und das Schicksal verlangt's.«
    Phaon entfernte sich.
    Der Kaiser nahm eins der silbernen Fruchtmesser und zertrennte die seidene Schnur, welche das Briefgetäfel widereinander preßte. Dann las er mit halblauter, ironischer Stimme wie folgt:
    »Die ehemalige Sklavin Acte, von dem römischen Ritter Lucius Nicodemus zu ihrer eigenen Verderbnis mit der Freiheit beschenkt, wird hiermit aufgefordert, ihre Beziehungen zu dem erhabenen Beherrscher des Weltreichs augenblicklich zu lösen und den göttlichen Imperator unverzüglich seiner edlen Gemahlin, die verzweiflungsvoll um ihn trauert, wieder zurückzugeben.
    Octavia selber weiß, beim allmächtigen Jupiter, nicht das geringste von diesem Schritte.
    Aus eigenem Antrieb vielmehr wendet sich das Gerechtigkeitsgefühl und die Klugheit ehrlicher Vaterlandsfreunde mit einem geschäftlichen Vorschlag an die Verführerin.
    Wenn sich die Freigelassene Acte bereit finden läßt, ihre Wohnung und das Weichbild der Siebenhügelstadt binnen drei Tagen auf Nimmerwiederkehr zu verlassen, so wollen die Partner der jungen Kaiserin Gnade üben, die Freigelassene Acte nicht weiter behelligen, noch etwa sie den Aedilen um ihres Wandels willen zur Züchtigung überantworten, sondern vielmehr am Tage des Wegzugs ihr eine Summe behändigen, die ihr auf Lebenszeit ein behagliches Auskommen sichert.
    Weigert sich Acte, so mögen die gräßlichsten Folgen über ihr Haupt kommen.
    Der ihr diese Wachstafel übermitteln läßt, hat den Willen sowohl als die Macht, auszuführen, was er ihr androht.
    Acte wird aufgefordert, heute noch ihren Entschluß dadurch zweifellos kund zu geben, daß sie zu Anfang der zweiten Nachtwache ihren Söller betritt und dem Manne, der diese Tafel ihr hat behändigen lassen, ein vernehmliches: ›Ja, ich reise!‹ entgegenruft, sobald er, von einem Fackelträger begleitet, am Hause vorüber kömmt. Sein Erkennungszeichen wird sein: über der Pänula ein flammrotes Tuch und das lautgesprochene Wort: ›Es reut sie!‹«
    Als Nero geendet hatte, saß Acte wie niedergeschmettert auf einem der Bronzesessel. Glühende Thränen quollen ihr zwischen den halbgeschlossenen Wimpern hervor.
    Nero legte die Wachstafel ruhig, aber dennoch mit geheimer Beklommenheit auf das duftige Monopodium.
    Dann zu Acte herantretend: »Liebling! Ich kenne die Schriftzüge, so mühevoll sie verstellt sind!«
    Das schluchzende Mädchen schaute hastig empor.
    Er trocknete mit den Falten ihres Gewandes die zährenbenetzte Wange.
    »Es sind die Schriftzüge meiner Mutter, der Kaiserin Agrippina,« sagte er feierlich. »Mit unsäglicher Sorgfalt hat sie den Griffel geführt; mit berechnender Absicht hier und da eine Linie gegraben, die mich beirren sollte. Aber ich kenne sie – und malte sie ihre Buchstaben mit der Linken. Sieh doch ihr A und ihr nahezu griechisches  S! Zudem: wer sonst sollte in ganz Rom sich erdreisten, solche Ungeheuerlichkeiten an die Braut des Imperators zu richten?«
    Acte seufzte.
    »Deine Mutter habe ich allerdings noch schwerer zu fürchten, als deine Gemahlin.«
    »Octavia ist ernst und gemessen,« erwiderte Nero. »Ihre Liebe zu mir scheint seit lange im Schwinden. Da hast du recht. Eher noch, als an die Urheberschaft der armen Octavia, würde ich an gewisse Staatsbeamte, an unzufriedene Senatoren und Ritter denken. Es gibt Leute genug, die den übermächtigen Einfluß der Agrippina verabscheuen und vielleicht in der Absicht, unsern Verdacht auf Agrippina zu

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