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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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meiner Ansicht zufolge, die Grenzen, die selbst ein Cäsar zu achten hat.«
    »Unser Verlobungstag!« rief Nero im Tone ehrlichster Ueberraschung. »Das wußte ich nicht. Auch hat sie keine Silbe davon geredet. Meinetwegen! Ich will nachher deine Vorwürfe ruhig mit anhören. Also auf Wiedersehen!«
    So sprechend trat er über die Schwelle des großen Frauengemachs.
    Octavia saß bleich wie ein Wachsbild auf dem silbernen Lehnstuhl.
    Ihr Blick haftete unbeweglich an den musivischen Blumen des Fußbodens.
    Auch als Nero nun prüfend in der Mitte des Zimmers stehen blieb, schaute sie nicht empor.
    Agrippina dagegen schritt in wahrhaft fürstlicher Haltung von der hochgepolsterten Ottomane, wo sie geruht hatte, auf ihren Sohn zu, und wollte eben in der ihr eigenen kategorischen Weise zu reden beginnen, als Nero ihr düsteren Blickes die geöffnete Wachstafel entgegenhielt, und mit halblauter Stimme sprach: »Kaiserin Agrippina, antworte: was bedeutet diese wundersame Epistel?«
    Agrippina, wie sie den Sohn hochaufgerichtet, das jugendsprühende Antlitz von edler Blässe bedeckt, so ernst, so menschlich-erhaben vor sich sah, machte unwillkürlich zwei Schritte zurück.
    »Mutter,« fuhr Nero fort, »leugnest du die Urheberschaft? Ich sehe, daß Octavia um die Angelegenheit weiß: sonst würde sie mich begrüßen, anstatt wie die liebesfeindliche Daphne mit beiden Füßen im Boden zu wurzeln. Also mag's auch in ihrer Gegenwart ruhig erörtert werden. Nochmals: wer hat die Zeilen hier in das Wachs gegraben?«
    »Ich,« versetzte die Kaiserin-Mutter, die Arme kaltblütig unter dem Busen kreuzend.
    »So gestatte mir die Bemerkung, daß du in dieser Zuschrift Töne anschlägst, die ich zu hören weder gewohnt noch gewillt bin.«
    »Galten sie etwa dir?« fragte Agrippina spöttisch. »Konnte ich ahnen, daß diese Tafel dem Imperator in die Hand fallen würde?«
    »Das konntest du nicht, – aber ich danke dem Schicksal, daß ich im richtigen Augenblicke zur Stelle war. Das arme Kind hätte sich doch am Ende verblüffen lassen. Wisse denn, Mutter, daß dein geheimer Sendbote die sehnlichst erhofften Worte ›Ich werde reisen‹ niemals vernehmen wird. Ich, der Kaiser, habe Befehl erteilt, dem Burschen, falls er zudringlich werden sollte, so die Wege zu weisen, wie das Gesetz dies jedem römischen Bürger, ja dem Fremdling gestattet . . .«
    »Du hättest gewagt . . .«
    »Ich hab' es gewagt, Mutter, und da es denn doch einmal zur Sprache gekommen, so sag' ich's auch dir, Octavia! Seit lange bist du ja doch nur dem Namen nach meine Gattin. Wie also kann es dich kränken, wenn ich einem so holden, zauberhaften Geschöpf das widme, was die stolze Octavia verschmäht: die ganze Glut meines liebebedürftigen Herzens? Jede Rücksicht, die ich der Kaiserin schulde, wird ja gewahrt. Meine Vertrauten sind die Verschwiegenheit selber. Prunklos und ohne Glanz betret' ich das stille Haus, wo ich glücklich sein darf, namenlos glücklich, während ich hier nur starren Formen begegne, kalter Gefühllosigkeit, trostloser Oede. Ich mache dir keine Vorwürfe, gute Octavia! Du bist wie du bist. Aber nun fleh' ich dich an, laß auch mich sein, wie der Schoß der Natur mich geschaffen hat! Laß mich lieben, da du nur denken, Pflichten erfüllen und deinen Göttern gehorchen kannst!«
    »Unglücklicher!« versetzte die Kaiserin-Mutter, während Octavia, ohne nur mit der Wimper zu zucken, sich abwandte. »Lohnst du mir so, was ich für dich und deine Zukunft gethan habe?«
    Sie packte ihn mit der Faust über dem Knöchel der rechten Hand und zog ihn mit der Leidenschaftlichkeit einer Mänade in die entlegenste Ecke.
    »Glaubst du etwa,« fuhr sie mit flüsternder Stimme fort, denn sie wollte Octavia, ihre Bundesgenossin, schonen – »glaubst du etwa, es habe mir Vergnügen bereitet, den Vater Octavias zum Manne zu nehmen? Claudius war ein Scheusal, hörst du, ein Scheusal, – ein Stubengelehrter, voll von litterarischen Narrenspossen, ein Laffe, der neue Buchstaben erfand, während das römische Volk ihn weidlich auslachte als den Tölpel der Messalina. Diesen Claudius hab' ich nach dem Tod Messalinas geheiratet; ich wurde Kaiserin, – den Ekel im Herzen und nur aufrecht erhalten durch den einen Gedanken: dein Sohn wird vielleicht dereinst zur Herrschaft gelangen . . .«
    »Mutter . . .«
    »Schweig! Es ist so! Und hiernach – was hab' ich gethan? Jahre hindurch bin ich dem Kaiser Claudius in den Ohren gelegen, den Britannicus von

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