Nero
sie liebäugelt den Senat über den Haufen, wenn ihr etwa die Bleikugeln ihrer balearischen Schleuderer versagen sollten. Immer und immer wieder packt mich die Reue, daß ich von Anfang an zu nachgiebig war, daß ich, in der sicheren Voraussetzung, Nero werde sich frühe genug zum Adler entwickeln, dem wachsenden Einfluß der Hassenswerten mitunter Vorschub geleistet habe . . .«
Er unterbrach sich.
Der gefeierte Redner hatte noch niemals mit so warmherziger Ueberzeugungskraft, mit so packender Frische in Gebärde und Ausdruck gesprochen.
Es darf indes nicht verhehlt werden, daß die Sorge ums eigene Heil bei dieser Beredsamkeit wesentlich mitspielte.
Ein Lauscher hatte ihm hinterbracht, wie herb sich Agrippina über seine Person und sein Verhalten bezüglich Neros geäußert hatte.
Es galt nun, der Kaiserin-Mutter gründlich zuvorzukommen, wenn man das Spiel nicht verlieren wollte.
Der nämliche Lauscher – ein hellenischer Sklave, den er einst wider den Jähzorn der Agrippina mild einschreitend beschützt hatte – teilte ihm ferner mit, was zwischen dem jungen Kaiser und seiner Mutter betreffs der Freigelassenen Acte geredet worden, und Seneca hatte nun seinerseits den Versuch gemacht, dem Kaiser von der Fortsetzung dieses Verhältnisses abzuraten.
In diesem Fall nämlich – wenn Claudius Nero sich selbst bezwang – hätten die Genossen des Pätus Thrasea in Nero einen kräftigen Rückhalt gefunden.
Leider ergab sich, daß auf die Mitwirkung des liebeglühenden Jünglings durchaus nicht zu rechnen war.
Die Palastrevolution büßte dadurch ihren wichtigsten Hebel ein, der ihr tausend Schwierigkeiten spielend aus dem Wege geräumt hätte.
Mit Beihilfe des jungen, von wirklicher Schaffenslust begeisterten Imperators wäre alles geräuschlos, ja vielleicht in der scheinbaren Form einer freiwilligen Entsagung der Agrippina von statten gegangen.
So aber, wie die Dinge jetzt lagen, mußte man höchst wahrscheinlich Gewalt üben.
Und dieser Gewalt die gangbarsten Pfade zu zeigen, war die Aufgabe, die sich Seneca für den weiteren Verlauf seiner Rede gestellt hatte.
Zunächst wies er auf die Notwendigkeit hin, Burrus, den Befehlshaber der Prätorianer, dann aber auch die Sympathien der Krieger selbst zu gewinnen.
Nero hatte bis jetzt die Geldspenden an die prätorianische Leibwache ordnungsgemäß auszahlen, gelegentlich auch verdoppeln oder verdreifachen lassen.
Im Eifer, ihre Herrschaft zu festigen, zahlte die Kaiserin-Mutter auf eigene Faust diese Geldspenden nochmals und fügte besondere Ehrengaben an die Militärtribunen und Centurionen hinzu.
Burrus befand sich, ohne persönlich über Gebühr eitel zu sein, dennoch ziemlich unter dem Banne der Kaiserin, die ihn trefflich zu nehmen wußte; und es schien nicht gerade leicht, diesen Bann zu zerstören.
Beide Ausgaben indes getraute sich Seneca trotz ihrer Schwierigkeit siegreich zu lösen.
Die Bearbeitung der Soldaten sollte von einigen Centurionen ausgehen, die mit Geldmitteln bis ins Ungeheuere versehen waren.
Was den Burrus betraf, so war dieser Bär, dem die Galanterie so schlecht zu Gesichte stand, in erster Linie Soldat. Dem selbständigen Kaiser zu dienen, würde ihm rühmlicher scheinen, als die bisherige Situation, die ihn mehr, als seinem Charakter entsprach, zum Herkules am Spinnrocken der Agrippina entwürdigte.
Sobald Burrus gewonnen war, galt es einen leicht durchzuführenden Handstreich.
Seneca würde den Burrus ersuchen, sämtliche Prätorianer in der großen Kaserne bereit zu halten. Alsdann wollte der Staatsminister mit einer hohen Gefolgschaft von Senatoren und Priestern den Kaiser dorthin geleiten und ihn veranlassen, den Kriegern in kurzer Ansprache mitzuteilen, daß aus Gründen des Staatswohles Agrippinas Herrschaft ein Ende genommen. Hiernach sollte den Leuten eine Summe geschenkt werden, die sämtliche Donationen der Agrippina um das Zwölffache übertraf. Inzwischen würde sich der Militärtribun Julius Vindex, den man längst ins Vertrauen gezogen, mit einer Schar senatorischer junger Männer bereit halten, im Falle unerwarteter Hindernisse das Volk zum Kampfe wider die Herrschaft der Palla aufzuwiegeln. Waffen lagen in Hülle und Fülle unter den riesigen Kellerwölbungen der Aegypterin Epicharis. Die Römer, in ihren Sympathien für Nero, würden trotz der Erschlaffung des überfeinerten Zeitalters, noch einmal das Schwert ziehen, um zu beweisen, daß der Geist der lorbeergekrönten Fabier noch immer nicht völlig
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