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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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von eh' nicht wieder, den huldreichblickenden Imperator, der sonst so weihevoll die Treppe zu der Senatsversammlung emporstieg oder dem Volke für das hallende ›Ave, Cäsar!‹ dankte.
    Ein Dutzend der Prätorianer vorauf, setzte die Kavalkade sich in Bewegung.
    Rechts zwischen dem cälischen und dem palatinischen Hügel bog man ein, und gewann so – unter der finsteren Wölbung des Drususbogens hindurchsprengend – die endlose Via Appia.
    Dort drüben, westlich, jenseits der wuchtigen Prachtgebäude des Hauptwegs, lag die einst so hundertfältig gebenedeite Villa, wo Nero glücklich gewesen: wo er am Busen Actes die Welt mit ihrem Glanze und ihren Kümmernissen vergessen hatte; wo aus den blauen Augen mit den großen, märchenhaften Pupillen ihm das Rätsel des Daseins, vor dem er bis dahin heimlich zurückgeschaudert, wonnig entgegenlachte.
    Er knirschte wild mit den Zähnen.
    Wenn es dennoch zu spät war? Wenn Agrippina in ihrem glühenden Hasse dennoch die Grenze des Denkbaren überschritt . . .?
    Gestern erst hatte er zwischen den Schreibrollen und den Federgestellen seines Arbeitsgemachs einen Zettel gefunden mit hieroglyphischen Redensarten, die er, das ganze Gemüt von dem leuchtenden Bilde seiner Geliebten erfüllt, nicht weiter beachtet hatte.
    Jetzt, wie er des eigentümlichen Zettels wieder gedachte, fiel es ihm von den Augen wie Schuppen.
    ›Die einst dich beschirmte,‹ – so hieß es auf dem grünlichgrauen Papyrusstreifen – ›die trachtet jetzt nach deinem Verderben! Kennst du nicht die uralte Mär von der Löwin? Der junge Leu, den sie herangesäugt, war ihr endlich über den Kopf gewachsen, und da er im Schlafe lag, so erwürgte sie ihn. Hüte dich, Löwe! – Also reden zu dir deine Verwarner, die Manen des Kaisers Claudius und des armen Britannicus.‹
    Seneca, trotz seiner vorgerückten Jahre noch rüstig und straff, war bis dahin wortlos neben dem Cäsar einhergesprengt. Er hatte just seine eigenen Gedanken. Am verflossenen Tage erst war er bei Flavius Scevinus gewesen. Die Verschwörung schien sich entwickeln zu wollen; dennoch war man auf größere Schwierigkeiten gestoßen, als man vorausgesetzt. Nun ereignete sich, gegen alle Erwartung, dieser Zwischenfall mit Acte und Agrippina. Konnte ein Gott die Würfel günstiger schütteln? Selbst wenn alles scheinbar ins Gleiche kam – eine Kluft zwischen Nero und Agrippina war für immer gerissen: denn das eine erkannte Seneca wohl: die Qual dieser Schreckensnacht würde Nero, der so verstört, so leichenhaft dreinschaute, niemals vergessen. Bis zur Stunde hatte der Staatsminister alles aufgeboten, um die Verbrechen der Kaiserin-Mutter vor dem Sohne geheim zu halten. Nun aber, da sich die Lage der Dinge so gründlich verschoben hatte, konnte man hier und da schon wenigstens andeuten . . .
    So begegneten sich die Gedanken des Kaisers und Senecas fast in dem nämlichen Augenblicke an der nämlichen Stelle.
    Nero teilte dem Staatsminister den Inhalt des eigenartigen Zettels mit.
    »Auf die Folter mit meinen Sklaven,« rief er empört, »dafern du es nicht herausbringt, wer es gewagt hat, mit dem Kaiser derartigen Spuk zu treiben!«
    »Herr,« versetzte der Staatsminister voll stiller Genugthuung, »wie dir bekannt ist, verteilt der Aegypter Cyrus – gebeten und ungebeten – derartige Wahrsagungen.«
    »Cyrus, der fingerfertige Gaukler vom Marsfeld?«
    »Derselbe.«
    »Pah, wie sollte der ins Palatium gelangen! Alle Welt kennt ihn. Die Wachsoldaten würden ihn festnehmen.«
    »Entsinne dich seiner unbegreiflichen Künste! Hast du nicht selber . . . beinahe . . . mit angesehen, wie er den Tod ins Leben zurückführte? Wer das Wunder ›Eurydice‹ täglich zu stande bringt, ohne entlarvt zu werden, dem gelingt auch der Eintritt in das Palatium. Jedenfalls scheint mir diese Mahnung von außen zu kommen.«
    »Die Löwin – der junge Leu . . .!« murmelte Nero. »O, ich verstehe! Das Unheil ist ein vortrefflicher Lehrmeister.«
    Er schwieg eine Weile.
    »Seneca!« fuhr er plötzlich heraus.
    »Herr?«
    »Der junge Leu wird sich wehren.«
    »Er thut wohl daran.«
    »Wirklich? Er begeht keine Missethat, wenn er sich wider die Mutter auflehnt?«
    »Dafern sie ihn angreift, nein. Aber glaube mir, das alles wird noch besser und glätter, als du vermutest. Sobald die Löwin gewahrt, daß ihr muskelgewaltiger Sohn ernstlich die Mähne schüttelt, wird sie schon nachgeben.«
    »Eins noch!« fragte Nero nach einer Pause. »Was soll das

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