Nero
Mensch die Wachstafeln der Kaiserin-Mutter behändigte . . .«
»Mich wundert nur, daß aus den Nachbarhäusern euch niemand zu Hilfe kam. Man wußte doch, daß die Geliebte des Imperators diese Villa bewohnte . . .«
»Erlauchter Cäsar, du kennst die vorsichtigen Gepflogenheiten der Römer. Ein nächtlicher Lärm scheucht sie alle in ihre Wohnung zurück . . . Und solche Tumulte sind ja nichts Seltenes.«
»Ahnst du, wohin sich die Entführer gewandt haben?« fragte der Kaiser.
»Sie sprengten die Via Appia hinunter . . .«
»So ist immer noch Hoffnung. Aprippina wird es nicht wagen, meiner Acte ein Haar zu krümmen. Sie weiß zu genau, daß sie mit diesem Mädchen mich selbst vernichtet. Cassius, reich mir das Schwert! Du begleitest mich, Phaon!«
Er stand da, die Klinge um die Hüften gegürtet, ein jugendstrahlender Kriegsgott.
Plötzlich die Stirn runzelnd: »Beim Herkules! Wer gestattet dir, unangemeldet hier einzutreten?«
Die letzten Worte galten dem Staatsminister, dessen Privatgemächer sich am ersten Cavädium befanden.
Seneca, über die unwirsche Art dieses Empfanges höchlich verblüfft, erwiderte ruhig: »Die Pflicht, Herr!«
»Wieso?«
»Nun, ich höre zu ungewohnter Stunde Lärm im Palatium: also denke ich, allen Gesetzen der Logik gemäß, irgend was Ungewöhnliches habe sich zugetragen.«
Nero hatte das Schwert aus der Scheide gezogen. Er packte den Staatsminister wie ein Besessener vorn bei der Tunica.
»Ja, es ist gut, daß du kömmst,« knirschte er augenrollend. »Ich sehe, du weißt darum. Augenblicklich wirst du bekennen, wo ihr sie hingeschleppt, – oder, bei meiner Cäsarenwürde, ich spieße dich auf, wie der Koch eine Drossel!«
»Nero,« versetzte der Philosoph, »deine Sinne verwirren sich! Lege nicht Hand an den Mann, der bis zur Stunde dein treuester Freund gewesen! Oder nein: töte mich lieber, ehe du mich so unverzeihlich beschimpfst.«
Etwas beschämt trat Claudius Nero zurück, noch immer das Schwert blank in der Rechten.
»Vergib mir,« sprach er, sich mühsam zur Ruhe zwingend – »aber der Schein ist gegen dich.«
»Inwiefern?«
»Während der letzten Wochen hast du mit Agrippina die Staatsgeschäfte so gut wie allein besorgt, – und was meine zärtliche Mutter mir angethan, das paßt so verwünscht in ihre sonstigen Pläne, in ihre Ideen von Recht und Gesetz, daß ich vermuten durfte, du habest hier mitgewirkt . . .«
»Mitgewirkt? Wovon redest du nur?«
»Mein Glück ist zertrümmert. Acte befindet sich in der Gewalt Agrippinas. Ha, du begreifst nun? Und bist so gar nicht erstaunt? Beim Zeus, du selber hast ja anfangs meine Liebe getadelt! So bist du dennoch der Bundesgenosse der Kaiserin.«
In seiner rasenden Aufregung zückte er von neuem das Schwert.
Seneca beteuerte gleichmütig seine Unschuld.
»Schweig!« herrschte Nero ihn an. »Ich glaube dir's. Ich wäre ein Schuft, wenn ich dir's nicht glaubte. So verächtlich kann doch ein menschliches Wesen nicht sein, daß es mit der Zunge mir wohlwollte und mit dem Herzen drauf sänne, wie es mich elend machte. Jetzt aber vorwärts! Agrippina soll sie herausgeben. Sie soll und sie muß, oder die Erde öffnet sich zwischen ihr und ihrem verzweifelten Sohne. Was willst du noch?«
»Dich begleiten,« sagte der Staatsminister.
»Wozu?«
»Mein Platz ist an der Seite des Kaisers – jetzt und allezeit, – sogar im Kampf wider die Uebergriffe der Agrippina. Wir machen das Geschehene um jeden Preis rückgängig.«
»Sprichst du im Ernste? Du, der alte, finsterblickende Mann, der mir so tausendfältig gesagt hat, der Fürst des Weltreichs dürfe nur eine Geliebte haben: den Staat . . .?«
»Ich rede im Ernste, nachdem ich mich überzeugt habe, daß Nero im Besitz jenes unvergeßlichen Mädchens ein besserer Regent sein wird, als wenn das Geschick sie ihm wegnimmt.«
Draußen auf den Platten der Via Sacra stampften die Rosse.
Der Staatsminister heischte den Mantel.
Bald danach saß der Kaiser mit seiner Gefolgschaft in den goldblinkenden Sätteln.
Zehn riesige Fackeln warfen ihr unruhiges Licht über das schweigsame Forum – bis hinauf zu den Zinnen des Kapitols. Flammrot bestrahlt, ragten die Säulen des Saturnustempels und die düsteren Gemäuer des mamertinischen Kerkers zum wolkigen Himmel auf.
Nero selbst, im blitzenden Brustharnisch, über den Schultern das langhinwallende Sagum, hatte in dieser Beleuchtung etwas Dämonisches. Man erkannte den milden, harmonischen Jüngling
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