Nervenflattern
Finanzierung der Ausstellung ranken. Ich kann Ihnen sagen, dass da überhaupt nichts dran ist.«
»Selbstverständlich nicht, Herr Zeislinger.«
Lenz ging auf den OB zu. Der hatte jetzt wohl auch verstanden, dass das Gespräch zu Ende war, stand ebenfalls auf und reichte ihm die Hand.
»Ich freue mich, von Ihnen zu hören, Herr Lenz. Auf Wiedersehen.«
Als Zeislinger gegangen war, besah er sich noch einmal den Brief. Er atmete tief durch und war froh, dass der OB nicht in Sachen Zeislinger gegen Lenz bei ihm aufgetaucht war. Dann ging er ins Nebenzimmer zu Thilo Hain, machte die Tür zu und setzte sich.
»Die Irren haben heute Ausgang.«
»Wieso?«
Lenz erzählte in Kurzfassung, was er vom OB erfahren hatte und reichte ihm den Brief.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen wegen der Spurensicherung, wahrscheinlich hat ihn sowieso schon das halbe Rathaus in den Fingern gehabt. Kannst du mit diesem Blödsinn etwas anfangen?«
Hain las den Inhalt des Schreibens und schüttelte den Kopf.
»Du hast recht, die Irren haben Ausgang. Außerdem ist mein Englisch sehr verkümmert. Ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal in Amerika war.«
»Wer spricht denn bei uns richtig gut Englisch?«
»Ich war neulich mit meinen alten Kumpels von der Sitte einen trinken, da war einer dabei, der hat gerade in Amerika ein Praktikum gemacht. Ein junger Kommissar, aber den Namen hab ich vergessen. Ich ruf mal bei denen drüben an, vielleicht ist er ja da und kann mal kurz rüberkommen.«
Lenz nickte mit dem Kopf und Hain griff zum Telefonhörer.
10 Minuten später saß Felix Prinz, der Kommissar, von dem Hain gesprochen hatte, mit dem Schreiben in der Hand neben ihnen. Er war groß und schlank und machte einen cleveren und selbstbewussten Eindruck.
»Irgendwie kryptisch und ein bisschen wirr, würde ich sagen.«
Lenz und Hain sahen sich an und verdrehten leicht die Augen. Ach, dachten beide.
»Interessant ist aber auf jeden Fall der doppelte Hinweis auf das Giftgas.«
Die beiden Kommissare der Mordkommission hoben wie Synchronschwimmer ohne Nasenklammern die Köpfe und sahen ihn an.
»Wie, Giftgas?« Hain war verunsichert.
»Hier, das letzte Wort im zweiten Absatz, Soman. Das ist ein Giftgas, ein Nervengift oder so was. Aber viel weiß ich darüber auch nicht. Und das letzte Wort hier ist VX, ebenfalls ein Nervengas.«
Lenz sah ihn mit großen Augen an.
»Aber das heißt doch eigentlich Documenta 15, oder?«
»Nein, man müsste es mit Documenta fünf-zehn übersetzen, weil die römischen Zahlen ja verkehrt herum auftauchen. Aber zusammen mit dem Soman glaube ich eher, dass es sich um den Hinweis auf das Nervengift handelt. Was ich nicht verstehe, ist der Hinweis auf die beiden Opfer. Hier steht, dass es bis jetzt zwei Opfer gegeben hat, eine türkische Frau und einen Mann in einem Auto. Und dass kein Selbstmord jemals mit einem Stoff mit Namen Soman angefangen hat. Komisch. Hatten Sie in der letzten Zeit jemanden, der an einem Nervengift gestorben ist?«
8
Lenz und Hain waren aufgesprungen. Beide hatten denselben Gedanken. Sie dankten dem jungen Kollegen für seine Hilfe, schärften ihm ein, mit niemandem über den Inhalt des Schreibens zu sprechen und schoben den ob ihrer Reaktion verstört dreinblickenden Kommissar aus dem Zimmer.
»Nimm dir was zu schreiben Thilo, wir müssen uns eine Liste machen. Wo ist die Leiche von Brill? Was soll der Scheiß mit der Türkin? Hast du eine Idee, was damit gemeint sein könnte?«
Hain schrieb und zuckte gleichzeitig mit den Schultern.
»Keine Ahnung!«
»Weiter«, sagte Lenz. »Wir müssen mit der Mutter sprechen und mit seinem Partner. Wir müssen dem OB klarmachen, dass er mit niemandem über die Sache reden darf, ebenso seiner Sekretärin. Und wir müssen uns den Rücken frei halten. Ich versuche gleich mal, Ludger zu erreichen.«
Ludger Brandt war der Leiter der regionalen Kriminalinspektion und damit ihr Vorgesetzter.
»Und wenn es sich bei diesem Brief nicht um die geistigen Ergüsse eines Irren handelt, dann haben wir vermutlich die Pest am Hintern.«
Hain rief alle verfügbaren Kollegen der Abteilung zu einer Besprechung in sein Büro und erläuterte ihnen den Ernst der Lage, falls Brill tatsächlich mit einem Nervengift umgebracht worden war. Dann verteilte er die anstehenden Aufgaben und schärfte ihnen ein, mit niemandem über den Hintergrund der Aktion zu sprechen. Anschließend telefonierte er mit der Polizeistation in Wolfhagen und bat die
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