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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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solchen Tat zu provozieren.«
    »Die Documenta ist ihm also dabei völlig egal, er will nur seine Botschaft loswerden?«
    »Exakt. Genau wie Sie glaube ich nicht an die Terroristenpistole, die uns die Kollegen vom BKA hier verkaufen wollen, sondern an einen Täter aus der Gegend, vielleicht sogar aus Kassel selbst. Allerdings teile ich Ihre Vermutung nicht, es könnte sich um einen Täter aus dem Umfeld der Documenta oder einen gescheiterten Künstler handeln. Dazu ist die ganze Sache zu rational angelegt.«
    Sie griff hinter sich und zog aus ihrer Handtasche eine Packung Zigaretten und einen Miniaschenbecher. Es war eine filterlose französische Marke, die Lenz vor vielen Jahren auch geraucht hatte.
    »Rauchen Sie?«
    »Sehr gerne.«
    Als beide brennende Zigaretten in den Fingern hielten, fuhr die Psychologin fort.
    »Es mag vielleicht so aussehen, als ob der Kerl blöd sei, aber ich sehe in seiner Vorgehensweise planvolles Handeln und eine gehörige Portion Intelligenz. Und er ist völlig unberechenbar. Aber noch einmal, der will erwischt werden.«
    »Ein Widerspruch für mich.«
    »Mag sein, aber viele Kriminelle sind in ihren Handlungen widersprüchlich.«
    Sie fischte mit dem Ring- und dem Zeigefinger einen Tabakkrümel aus ihrem Mund.
    »Weiterhin glaube ich nicht, dass er einen Kindergarten bedrohen würde. Die Reihenfolge, also zuerst der Kindergarten, ist ungewöhnlich. Wenn Sie so etwas planen würden, wäre der Kindergarten sicher Ihr Ultima Ratio, weil danach nichts mehr kommen kann. Wenn Sie einen Kindergarten plattgemacht haben, brauchen Sie sich nicht mal mehr im Knast blicken zu lassen. Aber er setzt ihn an die erste Stelle seiner Drohskala, und an den Schluss das Kaufhaus, was irrational ist.«
    »Haben wir es mit einem psychisch Kranken zu tun«
    Sie fing an zu grinsen.
    »Ist Paris eine Stadt? Ist der Papst katholisch? Ganz gesund ist er nicht, würde ich sagen, aber das kann ich erst verifizieren, wenn er mir gegenübersitzt.«
    Er deutete auf den Zettel.
    »Und was ist mit Kevin?«
    »Das ist wirklich merkwürdig, es ergibt keinen Sinn. Natürlich ist es nicht sein Name, obwohl Sie das wohl denken sollen. Vielleicht wurde deswegen auch der erste Brief in Englisch verfasst, aber es ist eine Täuschung. Er ist, wie gesagt, nicht dumm, aber diesen Punkt verstehe ich nicht.«
    »Was halten Sie von einem Verdächtigen wie Hainmüller, dem Abteilungsleiter von Brill?«
    »Natürlich müsste ich auch den erst kennenlernen, um mir ein Bild machen zu können, ich bin nun mal kein Profiler.«
    Sie lächelte gequält.
    »Diese Halbgötter können anhand einer alten Socke und eines Tatorteindrucks den Täterkreis auf drei Personen eingrenzen, ich nicht. Aber der Religionsfuzzi kommt für mich nicht als Täter in Frage.«
    Sie drückte ihre Zigarette aus.
    »So einer ist sich nicht zu schade, einen Schwulen zu diskriminieren, aber für einen Mord braucht es dann doch eine andere Schuhnummer.«
    Lenz drückte ebenfalls seine Zigarette in den Aschenbecher und stand auf.
    »Das war sehr interessant, ich danke Ihnen.«
    Er wollte zur Tür gehen, aber ihr Gesichtsausdruck zeigte ihm, dass sie noch etwas zu sagen hatte.
    »Ich kann Sie übrigens gut verstehen.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte er unsicher.
    »Mein Mann lebt auch mit seiner neuen Frau in dem Haus, für das ich bezahlt habe. Und von meinem Unterhalt. Deshalb kann ich Sie gut verstehen.«
    Er schluckte.
    »Dann sind wir sozusagen Geschwister im Geiste.«
    »Ja«, antwortete sie sarkastisch, »aber kaufen können wir uns dafür nichts. Und ich glaube, ich gehe heute Abend auch mal ein Bier trinken.«
    Wenn das ein Angebot gewesen sein sollte, überhörte Lenz es einfach. Er hatte seinen Abend verplant und wollte daran nichts ändern. Außerdem war die Psychologin nicht sein Typ.
    Zurück im Büro nahm er seine leicht angestaubte Dienstwaffe und das dazugehörige Achselholster aus dem Schrank.
     

26
    Um Viertel vor 11 fuhr er mit dem gemieteten Kleinwagen auf den verlassenen Parkplatz hinter dem Herkules. Durch die Bäume sah er die von der gegenüberliegenden Seite grell erleuchtete, komplett unter einem Baugerüst stehende Statue und die dunklen Umrisse des Oktogons und der Pyramide, die als monumentaler Unterbau dienten. Am Wasserteich und dem geschlossenen Ausflugsrestaurant vorbei kam er zu einer Treppe, die ihn nach links und von dort auf den Weg zur Vorderseite des Herkules führte. Zu seinem Erstaunen war außer ihm niemand unterwegs. Er

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