Nervenflattern
mir nicht vorstellen kann. Ich glaube, sie macht es solo.«
»Und wo steckt sie jetzt?«
»Das ist die Frage der Nacht, Thilo. Wo hält sich Simone Tauner auf? Wir müssen dafür sorgen, dass das Haus rund um die Uhr observiert wird, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie zurückkommt. Aber wenn doch, müssen wir sie festnageln. Und wir müssen einen Trupp von Spezialisten da reinschicken, um festzustellen, mit welchen Stoffen in dem Labor hantiert wurde. Und das Ganze muss möglichst lautlos vonstattengehen, damit wir sie nicht warnen. Bis jetzt fühlt sie sich vermutlich noch recht sicher.
Am Horizont zog der Tag herauf. Erst jetzt merkte Lenz, dass ihm der Schlaf einer Nacht fehlte und über den ganzen Tag fehlen würde. Prompt musste er gähnen.
»Aber zunächst müssen wir unsere weiteren Schritte mit den Kollegen aus Wiesbaden abstimmen und abwarten, was denen noch alles einfällt.«
Er sah aus dem Fenster, wo man auf den Feldern die ersten Konturen erkennen konnte.
»Wir müssen, sobald wir im Präsidium sind, alle zusammentrommeln und einen Bericht abliefern. Hast du eine Telefonliste gekriegt?«
»Welche Telefonliste?«
»Bei der ersten Sitzung der SoKo hat Kramer doch eine Liste rumgehen lassen, in die wir alle unsere Mobilnummern eingetragen haben. Ich hab aber nie eine Kopie gekriegt, du vielleicht?«
»Stimmt, da war was. Ich glaube, die liegt bei mir auf dem Schreibtisch.« Hain verzog schuldbewusst das Gesicht.
»Ich glaube, das waren sogar zwei. Vielleicht war die eine ja für dich.«
Lenz schaltete sein Mobiltelefon ein und wählte die Privatnummer von Ludger Brandt. Der Kriminalrat war nach dem zweiten Klingeln am Apparat, hörte sich aber immer noch erkältet an. Lenz kam gleich zur Sache.
»Wir haben sie wahrscheinlich gefunden, Ludger.«
»Wen habt ihr gefunden?«
»Die Frau, die Brill und die Putzfrau umgebracht hat.«
»Eine Frau?«
Lenz gab ihm einen kurzen Abriss der Ereignisse seit dem Abend zuvor.
»Und jetzt seid ihr auf dem Weg ins Präsidium?«
»Ja. Wir fahren gerade durch Grebenstein.«
»Dann sehen wir uns in 20 Minuten. Ich wollte heute sowieso wieder arbeiten, jetzt komme ich eben ein paar Stunden früher. Und Paul: gute Arbeit. Sehr gute Arbeit.«
»Danke«, antwortete Lenz und steckte das Telefon weg.
Hain sah ihn fragend an.
»Er kommt gleich ins Büro. Gute Arbeit, soll ich dir ausrichten.«
»Ich hab, während du telefoniert hast, noch mal über ihr Motiv nachgedacht. Wir müssen schleunigst herausfinden, warum sie letztes Jahr rausgeworfen wurde. Es kann doch nicht sein, dass eine Frau so durchdreht, nur weil sie ihren Job verloren hat.«
»Und ihr Kind«, ergänzte Lenz.
»Sicher, aber das Kind haben sie ihr weggenommen, weil sie den Job verloren hat, so habe ich zumindest ihren Exmann verstanden. Und ich habe mich gefragt, wie der gute Hainmüller in die Sache hineinpasst, der immerhin die Entziehung des Sorgerechts angeordnet hat und sich ganz merkwürdig benimmt. Wir müssen unbedingt später beim Veterinäramt und noch mal beim Jugendamt vorbeifahren. Wenn Hainmüller immer noch krank ist, besuchen wir ihn zu Hause. Und mit Laukel müssen wir auch noch mal sprechen, vielleicht hat er eine Idee, wo sie sich versteckt.«
»Alle Achtung, Thilo. Besser hätte ich unseren Arbeitstag auch nicht beschreiben können. Ganz schön viel zu tun für zwei müde Krieger.«
Die Sitzung der SoKo Brill wurde wegen der Dringlichkeit um eine Stunde vorgezogen. Hain hatte den ganzen Morgen telefoniert und die Kollegen informiert, Lenz einen Kurzbericht verfasst. Jetzt war es 10 Minuten nach sieben und alle warteten auf Jost Kramer, den Bundesanwalt. Der stand auf dem Flur vor dem Besprechungsraum und telefonierte.
»Entschuldigung, meine Herren, aber das war nicht aufzuschieben«, erklärte er, nachdem er durch die Tür gestürmt war.
»Kommissar Lenz wird uns zuerst über seine Ermittlungsergebnisse der vergangenen Nacht informieren, dann hat Frank Fleischer noch einige Neuigkeiten zu dem Anschlag bei Ihrer Regionalzeitung.«
Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Kasseler Polizisten.
»Bitte sehr.«
Lenz trug seinen Bericht vor. Dabei achtete er darauf, sich nicht wegen der Unterstützung durch Maria zu verplappern. Nach 15 Minuten war er fertig.
»Gute Arbeit, Herr Hauptkommissar«, ergriff Kramer wieder das Wort.
»Allerdings ist ihr Vorgehen im Haus der Verdächtigen sicher nicht unkritisch. Aber das ist jetzt nicht unser Thema.
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