Nervenflattern
Frank?«
Fleischer griff nach einer Kladde auf dem Tisch.
»Bei den Substanzen, die wir gestern Morgen in den Räumen der HNA sichergestellt haben, handelt es sich zweifelsfrei um einen Binärkampfstoff. In dem einen Glasröhrchen befand sich …« Er holte eine Lesebrille aus der Jacke, setzte sie auf und las vor.
»Also, das eine Edukt war O-Ethyl-O-2-Diisopropyl-aminoethylmethyl-Phosphonit, bei dem anderen handelte es sich um Schwefel. Wären die beiden Stoffe durch den Bruch des Glases zusammengeführt worden, wäre VX entstanden, mit den bekannten Folgen.«
Er nahm die Brille ab und legte sie auf den Tisch.
»Die Überprüfung des Schreibens hat keine Erkenntnisse gebracht. Bis jetzt konnten wir auch nicht ermitteln, wo und wann das Päckchen auf die Reise geschickt wurde. Was wir allerdings wissen, ist, dass wir unverschämtes Glück gehabt haben, dass es nicht zur Katastrophe gekommen ist. Es gibt keine einzige verwertbare DNA-Spur, was darauf hindeutet, dass wir es hier mit versierten Tätern zu tun haben. Oder einer ganz cleveren Täterin, aber das sollten wir uns noch genauer ansehen.«
Er wandte sich kopfschüttelnd an den Bundesanwalt.
»Ich bin nicht der Meinung von Kommissar Lenz, dass wir möglichst behutsam und verdeckt vorgehen sollten. Lass uns das Haus von unten bis oben auf den Kopf stellen und sehen, ob sich irgendwelche Hinweise finden lassen. Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass die Tauner gar keine bösen Sachen gemacht hat in ihrem kleinen Labor. Und wenn doch, dann eröffnen wir die Jagd nach ihr mit allen Mitteln, die wir haben.«
Nun schüttelte Lenz den Kopf.
»Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Frau uns bis jetzt noch ein paar Schritte voraus ist. Und sie ist vermutlich in der Lage, eine unbekannte Menge VX freizusetzen, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt. Deswegen noch mal: Wir sollten die Untersuchung des Hauses möglichst unspektakulär gestalten, um ihre mögliche Tatbeteiligung zu verifizieren, und trotzdem mit Hochdruck an ihrer Festnahme arbeiten.«
Fleischer war noch nicht überzeugt.
»Vielleicht sollten wir zunächst einmal klären, ob ihr das Haus überhaupt noch gehört. Möglicherweise hat sie es längst verkauft?«
»Da kann ich was zu sagen«, meldete Hain sich zu Wort.
»Laut Amtsgericht Hofgeismar steht Simone Tauner seit eineinhalb Jahren als alleinige Eigentümerin im Grundbuch. Ich habe vorhin dort angerufen und zu meiner Überraschung eine Mitarbeiterin erreicht. Es liegt auch kein Änderungsantrag vor.«
»Wie auch immer«, startete Fleischer einen neuen Versuch, »wir müssen weiterhin klären, ob wir es mit einer Einzeltäterin zu tun haben, was ich mir nicht vorstellen kann. Die Motivlage ist doch sehr dürftig. Und die ganze Vorgehensweise deutet nicht auf einen Einzeltäter oder eine Einzeltäterin hin.«
Ich hüpfe gleich aus der Hose, dachte Lenz.
»Das können wir alles klären, Herr Fleischer, aber wir sollten trotzdem möglichst besonnen vorgehen. Übrigens haben wir bis jetzt nicht mal ein Bild von der Frau. Aber nach Ende unserer Sitzung fahren der Kollege Hain und ich zu ihrem geschiedenen Mann und sehen, ob wir eins bekommen.«
»Das könnten Sie über das Einwohnermeldeamt leichter haben, Herr Kommissar«, ätzte Fleischer.
Lenz holte tief Luft und zwang sich, möglichst sachlich zu bleiben.
»Wie ich vorhin erwähnt habe, ist Frau Tauner Dänin. Sie hat also weder einen deutschen Pass noch einen Personalausweis. Das bedeutet, dass bei der Gemeinde Hofgeismar auch kein Bild von ihr vorliegt.«
Fleischer sah verlegen zu Boden, was bei Lenz eine nach außen nicht sichtbare Freude auslöste.
»Vielleicht gibt es auch im Veterinäramt ein Bild von ihr, das werden wir im Verlauf des Vormittags klären.«
Es wurde beschlossen, dass Fleischer und seine Leute sich mit der Liegenschaft in Hofgeismar und der überregionalen Fahndung beschäftigen sollten, während die Kasseler Polizei die lokalen Ermittlungen koordinieren würde.
»Und ich bin der gleichen Meinung wie Kommissar Lenz, meine Herren: Bitte lassen Sie uns so vorsichtig wie möglich agieren. Wenn wir morgen in der Zeitung lesen müssen, dass Simone Tauner wegen der Morde und der Erpressung in Kassel gesucht wird, kann das zur schlimmsten Katastrophe führen. Wir werden also alle Maßnahmen mit äußerster Diskretion durchführen. Auf Ihre besondere Verschwiegenheitspflicht brauche ich nicht erneut hinzuweisen«, beendete Kramer die Sitzung.
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»Ich
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