Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
aufgewacht, während er nach ein paar Nächten vermutlich dann aufwachen würde, wenn es nicht mehr hupte. Das Knattern eines defe kten Auspuffs tauchte nicht zufällig auf, es hatte s einen festen Platz in dem vermeintlichen Chaos. Es dauerte lediglich ei ne gewisse Ze it, sich da mit vertraut zu machen, wie mit dem Rollen eines Schiffes auf einer Überfahrt.
Er hatte sich für den nächsten Tag mit Runa in einem Café a n der Universität verabredet, um ihr ein p aar Fragen über ihren Vater zu stellen. Das Wasser hatte beim Verlassen des Taxis am Abend noch immer aus ihren Haaren getropft.
Zum ersten Mal seit langem träumte er von Birgitta. Von ihren Haaren, die an der blassen Haut klebten. Aber sie lächelte und war am Leben.
Der Anwalt brauchte vier St unden, um Woo a us der Untersuchungshaft zu holen.
»Dr. Ling, er arbeitet für Sorensen«, sagte Liz seufzend bei der morgendlichen Besprechung. »Nho konnte W oo gerade noch fragen, wo er in der Mor
dnacht gewesen war, dann war
Schluss.«
»Und was konnte der wandelnde Lügendetektor der Antwort entnehmen?«, fragte Harry.
»Nichts«, sagte Nho. »Er hatte keine Lust, uns irgendetwas zu sagen.«
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»Nichts? Scheiße, und ich dachte, ihr wärt hier unten so vertraut mit Foltermethoden mit Wasser und Elektroschocks.«
»Wäre jemand so freundlich, m ir zu sagen, dass es auch gute Neuigkeiten gibt?«
Zeitungspapier knisterte.
»Ich habe gestern noch einm al im Maradiz Hotel ang erufen.
Der Erste, mit dem ich gesprochen habe, sagte bloß, es sei ein farang gewesen, der regelm äßig mit Diplom atenfahrzeug und dieser Frau gekomm en sei. Der, m it dem ich heute Morgen gesprochen habe, sagte, es sei eine Weiße gewesen und dass sie miteinander in einer Sprache gesp rochen hätten, bei der es s ich vermutlich um Deutsch oder Holländisch gehandelt habe.«
»Norwegisch«, sagte Harry.
»Ich habe versucht, eine Pers onenbeschreibung der zwei zu bekommen, aber ihr wisst, wie das ist …«
Nho und Sunthorn blickten grinsend zu Boden. Niem and sagte etwas.
»Was ist?«, fauchte Harry.
»Wir sehen alle gleich aus«, seufzte Liz. »Sunthorn, geh m it ein paar Bildern hinüber und fra g, ob sie den Botschafter und seine Frau erkennen.«
Harry rümpfte die Nase.
»Mann und Frau, die sich für zweihundert Dollar ein paar Kilometer von ihrer Wohnung entfernt ein Liebesnest suchen?
Klingt das nicht ein bisschen pervers?«
»Nach dem, was mir der Typ heut e gesagt hat, haben sie dort die Wochenenden verbracht«, sagte Rangsan. »Ich habe ein paar Daten.«
»Ich setze m einen Gewinn von gestern, dass es nicht seine Frau war«, sagte Harry.
»Vielleicht nicht«, sagte Liz. »Aber es ist so oder so nicht sonderlich wahrscheinlich, dass uns das wirklich weiterbringt.«
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Sie beendete die Besprechung m it der Nachricht, dass sie heute die Papierarbeit machen konnten, die liegen geblieben war, als man dem Mord an dem norwegischen Botschafter höchste Priorität eingeräum t hatte. Als die anderen gegangen waren, setzte Harry sich.
»Wir sind also wieder auf Start?«, fragte er.
»Wir waren wohl nie wirklich woanders«, sagte Liz. »Vielleicht bekommt ihr ja, was ihr wollt.«
»Was wir wollen?«
»Ich habe heute Morgen m it dem Polizeichef geredet. Er hat gestern mit einem Herrn Torhus gesprochen, der sich erkundigt hat, wie lange wir denn noch an dem Fall arbeiten wollten. Die norwegischen Behörden erbäten ei nen Abschluss der Sache bis Ende der Woche, wenn wir ni
chts Konkretes hätten. Der
Polizeichef hat ihm gesagt, dass dieser Fall der thailändischen Gerichtsbarkeit untersteht und wir Mordfälle nicht einfach so zu den Akten legen. Aber etwas spät er bekam er einen Anruf von unserem eigenen Justizministerium. Es war sicher gut, dass wir die Sightseeing-Tour unternommen haben, als wir noch die Zeit dazu hatten, Harry. Es sieht so aus, als könntest du schon für Freitag deine Heimreise planen. Außer natürlich, wir finden etwas Konkretes.«
»Harry!«
Tonje Wiig kam ihm in der Einga ngshalle entgegen, sie hatte hektische rote Flecken auf de n Wangen und ein derart rotes Lächeln, dass Harry sie verdächtigte, unmittelbar zuvor frischen Lippenstift aufgelegt zu haben.
»Wir brauchen Tee«, sagte sie. »Ao!«
Ao hatte ihn bei seinem Kommen mit stiller Furcht angesehen, und obgleich er sich beeilt hatte, ihr zu versichern, dass er nicht ihretwegen gekommen war, bem erkte er ihren Blick – wie eine 177
Antilope an einem Wasserloch,
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