Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
und
drehte sich unter der Decke und ve rsetzte die Gardinen in sanfte Bewegung. Die Wasserpfeife stand auf einem niedrigen Tischchen neben dem Bett.
»Jim Love!«, rief Harry, aber Jim Love reagierte nicht.
Entweder er schläft oder sein W alkman ist derart lau t aufgedreht, dachte Harry und ließ seinen Blick durch das Zimm er
schweifen, um sich zu versichern, dass Jim allein war. Erst als er sah, wie eine Fliege unbekümmert aus Jims rechtem Nasenloch kroch, begriff Harry, dass er nich t mehr atmete. Harry trat ans Bett und legte seine Hand auf Ji ms Stirn. Sie fühlte sich an wie kalter Marmor.
Harry saß auf einem unbequemen Stuhl des Hotelzimm ers und wartete. Er summte ein Lied, kam aber nicht darauf, was es war.
Der Arzt kam und stellte fest, dass Love seit mindestens zwölf Stunden tot war. Das allerdings hätte Harry ihm auch schon vorher sagen können. Und als der Arzt auf die Frage, wie lange sie auf den Obduktionsbericht warten müssten, nur m it den Schultern zuckte, wusste Harry, dass die Antwort die gleiche war: mindestens zwölf Stunden.
Alle außer Rangsan trafen sich a m Abend in Liz’ Büro. Die gute Laune, die die Kommissarin noch am Morgen gehabt hatte, war wie weggeblasen.
»Sagt mir, dass wir irgendetwas haben«, bat sie drohend.
»Die Spurensicherung hat viel gefunden«, sagte Nho.
»Sie waren zu dritt da und ha ben eine Masse Fingerabdrücke, Haare und Fasern gefunden. Sie meinten, im Yupa House könne seit mindestens einem halben Jah r nicht m ehr geputzt worden sein.«
Sunthorn und Harry lachten, doch Liz sah sie nur mürrisch an.
»Keine Spuren, die mit dem Mord zu tun haben könnten?«
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»Wir wissen noch nicht, ob es ein Mord war«, sagte Harry.
»Klar, verflucht«, fauchte Liz. »Leute, die im Verdacht stehen, an einem Mord beteiligt gewesen zu sein, sterben nicht zufällig ein paar Stunden, bevor wir sie haben, an einer Überdosis.«
»Wer für den Galgen bestimmt ist, ertrinkt nicht«, sagte Harry.
»Was?«
»Ich meine nur, dass du recht hast.«
Nho fügte hinzu, dass eine tödl iche Überdosis bei Opiumrau-chern höchst ungewöhnlich ist. In der Regel verloren sie das Bewusstsein, ehe sie so viel konsumieren konnten. Die Tür ging auf und Rangsan kam herein.
»Es gibt Neuigkeiten«, sagte er und nahm sich die Zeitung.
»Sie haben die Todesursache herausgefunden.«
»Ich dachte, das Obduktionserge bnis käme frühestens morgen früh«, sagte Nho.
»Nicht nötig. In der Krim inaltechnik haben sie Blausäure auf dem Opium gefunden, eine dünne Schicht, die irgendjem and aufgetragen haben m uss. Der Kerl m uss nach dem ersten Lungenzug gestorben sein.«
Es wurde einen Moment lang still am Tisch.
»Schaff mir Maisan her!« Liz war wieder in der Spur. »W ir müssen herausfinden, wo Love das Opium herhatte.«
»Ich wäre nicht zu optim istisch«, warnte Rangsan. »Maisan hat mit Loves üblichem Dealer gesprochen, doch der hatte ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen.«
»O.k.«, sagte Harry. »Aber jetzt is t auf jeden Fall klar, dass jemand ganz bewusst versucht hat, Brekke wie den Mörder aussehen zu lassen.«
»Das hilft uns nicht weiter«, sagte Liz.
»Ich weiß nicht« erwiderte Harry. »Es is t nicht sicher, dass Brekke ganz zufällig als Sündenbock auserkoren wurde, viel-248
leicht hatte der Mörder ein Mo tiv dafür, ihm die Schuld zu geben, irgendeine noch nicht beglichene Rechnung.«
»Und jetzt?«
»Wenn wir Brekke freilassen, ko mmen die Dinge vielleicht in Bewegung. Vielleicht können wir den Mörder aus der Deckung locken.«
»Sorry«, sagte Liz. Sie starrte auf die Tischplatte. »W ir bleiben bei Brekke.«
»Was?« Harry traute seinen Ohren nicht.
»Befehl vom Polizeichef.«
»Aber …«
»So ist es.«
»Außerdem haben wir ein neues Indiz, das in Richtung N orwegen deutet«, sagte Rangsan. »Die Krim inaltechnik hat eine Probe des Messerfetts an die nor wegischen Kollegen geschickt, um zu sehen, was die davon halten. Sie fanden heraus, dass es sich um Rentierfett handelt, und das gibt es hier in Thailand nicht so häufig. Einer von der Kriminaltechnik hat vorgeschlagen, den Weihnachtsm ann zu verhaften.« Nho und Sunthorn kicherten.
»Aber dann haben die in Oslo gesagt, dass Rentierfett übli-cherweise von den Samen verwendet wird, um den Stahl ihrer Messer zu schützen.«
»Thailändisches Messer und norwegisches Fett«, sagte L iz.
»Das wird ja immer interessanter.«
Sie stand abrupt auf. »Gute Nacht! Ich hoffe,
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